Stichtag

06. August 2010 - Vor 85 Jahren: Journalist Claus Hinrich Casdorff wird geboren

Jeder Beruf bringt hin und wieder Protagonisten hervor, die Maßstäbe für die Arbeit der gesamten Branche setzen. Unter den Journalisten, insbesondere den politischen, gehört Claus Hinrich Casdorff zu dieser seltenen Spezies. Als der langjährige Chefredakteur des WDR Fernsehens und Gründer des Magazins "Monitor" im Februar 2004 mit 78 Jahren stirbt, würdigt ihn WDR-Intendant Fritz Pleitgen wie nahezu die gesamte deutsche Presse als "Instanz", die im deutschen Journalismus tiefe Spuren hinterlässt. Integer und unabhängig, charakterstark und streitlustig hat Claus Hinrich Casdorff das deutsche Fernsehen von der ersten Stunde an wesentlich mitgestaltet.

Überfallfragen im Kreuzfeuer

Casdorffs Fähigkeit, den Mächtigen der Republik ebenso süffisant wie unerbittlich auf die Finger zu klopfen - und nötigenfalls auf die Füße zu treten - gilt als unübertroffen. In den "Kreuzfeuer"-Interviews, die er in den legendären Anfangsjahren von "Monitor" mit dem Kollegen Rudolf Rohlinger führt sowie in seinen späteren Sendungen "Ich stelle mich" und "Schlag auf Schlag", holt er die Polit-Prominenz von ihren selbst errichteten Sockeln. Nicht wenige Befragte reagieren wie beleidigte Majestäten auf Casdorffs Respektlosigkeit. Franz Josef Strauß beschwert sich lautstark über "unverschämte Überfallfragen", bevor er wutschnaubend aus dem Studio stürmt. Theo Waigel sieht sich als "Freiwild in einer Fälscherwerkstatt" und Bundespräsident Heinrich Lübke lässt auf eine Interview-Anfrage gar antworten: "Sie wissen wohl nicht, dass Sie mit Ihrem Souverän sprechen!". Zwecklos auch Wolfgang Clements Attacke: "Sie glauben doch nicht, mir hier ständig dazwischenquatschen zu können", die Casdorff cool kontert: "Das ist die Funktion, die wir stellvertretend für das Publikum wahrnehmen."

Von "Hier und Heute" bis zur "Aktuellen Stunde"

Dabei hält der 1925 in Hamburg geborene Kaufmannssohn als Heranwachsender Journalisten selbst für "Zirkuskünstler, Ballettratten oder ähnlich leichtfertige Gesellen", wie Casdorff später gesteht. Doch nachdem er 1945 schwer verwundet aus russischer Gefangenschaft nach Hamburg zurückkehrt, findet er eine Anstellung beim Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) und wird zum politischen Redakteur ausgebildet. 1956 wechselt Casdorff zum WDR nach Köln, wo er seine Karriere als Moderator von "Hier und Heute", "Weltspiegel" und als Redakteur des Magazins "Report" fortsetzt. 1965 gründet er die "Monitor"-Redaktion, die er mit kurzer Unterbrechung bis 1981 leitet. Als Chefredakteur der Landesprogramme setzt "Hinni", wie Freunde ihn nennen, Anfang der 80er Jahre die Regionalisierung des WDR um und erfindet eine neue, bis heute erfolgreiche Informationssendung: die "Aktuelle Stunde".

Bis zu seiner Pensionierung im Herbst 1990 bleibt Claus Hinrich Casdorff auf dem Bildschirm präsent. In seinen letzten Lebensjahren bringt der passionierte Dressurreiter und Golfer in Seminaren Führungskräften bei, wie man vor Fernsehkameras eine gute Figur abgibt.

Stand: 06.08.10