Stichtag

07. Juni 2009 - Vor 100 Jahren: Virginia Apgar wird geboren

APGAR heißt der Merkspruch, mit dem Hebammen und Geburtshelfer im Kreißsaal den Gesundheitszustand von Babys überprüfen. Die Buchstaben stehen für: Atmung, Puls, Grundtonus (Muskelspannung), Aussehen, Reflexe. "Diese fünf Kriterien werden beim Neugeborenen nach der ersten Minute untersucht und mit einem bestimmten Punkwert versehen: null bis zwei", erklärt Professor Ludwig Brandt, Medizinhistoriker und Leiter der Anästhesie im Helios-Klinikum Wuppertal. "Ist die Atmung gut, bekommt das Neugeborene den Punktwert zwei. Ist sie mittelmäßig, bekommt es den Punktwert eins. Ist sie nicht vorhanden, den Punktwert null." Das vitale, gesunde, schreiende, sich bewegende Baby erhält die volle Punktzahl. Es wird mit dem sogenannten Apgar-Score zehn bewertet.

Apgar ist kein Kunstbegriff, sondern ein Nachname: Die amerikanische Narkose-Ärztin Virginia Apgar, die am 7. Juni 1909 in Westfield im US-Bundesstaat New Jersey  geboren wurde, entwickelte den nach ihr benannten Test. Ihre Vorschläge zur Schnelluntersuchung Neugeborener veröffentlichte sie 1953 in einer Fachzeitschrift. Ihr war aufgefallen, so Brandt, "dass man sich damals sehr um die Mütter kümmerte, aber nicht um die Kinder." Diese habe man entbunden, zur Seite gelegt und für ein paar Minuten sich selbst überlassen. "Die Todesrate bei Neugeborenen war damals nicht nur in den USA, sondern weltweit relativ hoch." Durch die Einführung des Tests verbesserte sich die Situation schlagartig. Geburtshelfer müssen seither genau hinschauen. So können sie Probleme feststellen, die schnell und einfach zu lösen sind, bei Nichtbeachtung aber tödlich sein können. Dazu gehören zum Beispiel eine Sauerstoffunterversorgung und Schleim in den Atemwegen.

Virginia Apgar  sorgte nicht nur dafür, dass die Aufmerksamkeit auf Neugeborene gerichtet wurde. Sie spielte in der Medizin auch als Pionierin der Anästhesie eine wichtige Rolle. Jahrelang wurde die Narkose von vielen Ärzten nicht ernst genommen und Schwestern überlassen. Eigentlich wollte Apgar Chirurgin werden, aber ihr Mentor, der in Medizinerkreise berühmte Arzt Allan Wippel, riet ihr ab. Die Patienten wollten nicht von Frauen operiert werden. Stattdessen, empfahl ihr Wippel, solle sie mithelfen, aus der Anästhesie ein wissenschaftliches Fach machen. Apgar richtete an einem New Yorker  Krankenhaus eine eigene Anästhesie-Abteilung ein und erhielt 1949 an der Columbia Universität den ersten für Anästhesiologie eingerichteten Lehrstuhl. Ihr Hauptinteresse galt aber der Geburtshilfe. Sie führte neue Methoden ein, um Neugeborenen bei Bedarf zu helfen: Absaugen der Atemwege, Versorgung mit Sauerstoff, Maskenbeatmung. Apgar starb im August 1974 an einer schweren Leberkrankheit.

Stand: 07.06.09