Nach dem Zweiten Weltkrieg liegt die europäische Physik in Trümmern. Um einen neuen, gemeinsamen Forschungsraum aufzubauen, setzen die Regierungen des Kontinents ausgerechnet auf die Zerstörung der kleinsten Teilchen. Im Kernforschungszentrum Cern in der Nähe von Genf wollen die Gründungsmitglieder Schweiz, Deutschland, Belgien, Frankreich, Großbritannien, Italien, Holland, Griechenland, Jugoslawien, Dänemark, Norwegen und Schweden 1954 ergründen, was die Welt im Inneren zusammenhält.
Kernstück des Kernforschungszentrums Cern sind seine Teilchenbeschleuniger: Das Synchro-Zyklotron (SC) ist 1957 der erste. In unterirdischen Tunneln werden Protonen auf immer neue Höchstgeschwindigkeiten beschleunigt, um sie aufeinander prallen zu lassen und so in ihre Bestandteile zu zerlegen. So werden 1983 in einer sieben Kilometer langen Anlage die W- und Z-Bosonen, Teilchen der schwachen Kernkraft, nachgewiesen, für deren Entdeckung Carlo Rubbia und Simon van der Meer 1984 einen Nobelpreis erhalten.Später beginnt Cern mit dem größten Bauprojekt Europas, dem großen Elektron-Positron-Speicherring des Large Electron Positron Colliders (Lep). Tausende von Physikern, Ingenieuren und Technikern aus aller Welt kommen zusammen, um die 27 Kilometer lange Anlage 100 Meter unter der Erde zu planen, zu bauen und damit zu experimentieren. Im Juli 1989 hetzen die Forscher erstmals Teilchen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit durch den Ringtunnel, vier Wochen später lassen sie sie zusammenkrachen - und beobachten dabei frei werdende Energien von bisher unbekannter Dichte. Damit wollen die Forscher die Situation des Urknalls simulieren, um im Labor zu erklären, wie unsere Welt entstanden ist. Allerdings ist dies bis heute noch nicht gelungen.
Heute sind 20 Mitgliedsstaaten am Cern beteiligt. Mit einem Jahresbudget von über einer Milliarde Schweizer Franken ist es das größte Kernforschungszentrum der Welt. Der Tunnel des im Jahr 2000 außer Betrieb genommenen Lep wird inzwischen vom Large Hadron Collider (LHC) genutzt. Es ist die komplizierteste jemals gebaute Maschine, die im November 2008 in Betrieb ging und nach einem Testlauf wegen einer falschen Lötverbindung gleich wieder abgeschaltet werden musste.Mit dem LHC wollen die Wissenschaftler neben der "dunklen Materie" das so genannte Higgs-Teilchen, benannt nach dem britischen Physiker Peter Higgs, aufspüren. Das ist ein hypothetisches Austauschteilchen, das Physiker im Standardmodell der Elementarteilchen immer vorhersagen - und das somit das perfekte Weltmodell der Physiker letztendlich erst erklärbar macht. "Wir wissen alles über dieses Higgs-Teilchen", sagt Cern-Chef Rolf-Dieter Heuer: "nur wissen wir nicht, ob es existiert".
Stand: 14.07.09