Stichtag

06. Dezember 2009 - Vor 65 Jahren: US-Radiosender "1212" beginnt zu senden

"Hier ist '1212' mit Nachrichten für das Rheinland." In den frühen Morgenstunden des 6. Dezembers 1944 empfangen deutsche Radiohörer plötzlich ein neues Signal. "'1212' bringt Meldungen von Front und Heimat, für die Zivilbevölkerung des Rheinlandes und den Landser an der Rheinfront." Was der Sprecher verschweigt: "1212" ist ein Rundfunksender der US-Armee, der "schwarze Propaganda" betreibt, indem er seine Identität verschleiert und sich als deutscher Sender präsentiert. Er soll die zwölfte amerikanische Heeresgruppe unterstützen - ohne, dass die deutschen Hörer davon etwas ahnen.

Verbreitet wird das Programm von "1212" nachts zwischen zwei bis sechs Uhr über die Sendeanlage von Radio Luxemburg  - einem deutschen Reichssender, der im September 1944 unversehrt in amerikanische Hand gefallen ist. Tagsüber verbreitet Radio Luxemburg "weiße Propaganda": ein deutschsprachiges Programm, das erkennbar von US-Offizieren moderiert wird und offen amerikanische Mitteilungen ausstrahlt. "1212" hingegen präsentiert sich als deutscher Soldatensender: "Unsere Aufgabe bestand darin, unsere Hörer militärisch hundertprozentig treu und brav und richtig zu informieren", erinnert sich Hanus Burger, verantwortlicher Redakteur von "1212". "Die Absicht war, dass wir sie solange daran gewöhnen sollten, dass '1212' immer die Wahrheit sagt, bis wir ihnen einmal eine falsche Karte hineingeschwindelt haben." Dieser Moment kommt im März 1945. General Omar N. Bradley steht bei Remagen am Rhein und will mit seinen Männern den Fluss überqueren. "1212" setzt nun unauffällig Falschmeldungen ins Programm, um die deutschen Truppen zu täuschen. Gleichzeitig wird ausführlich vom erfolgreichen Vorstoß der Amerikaner berichtet: "Der Zusammenbruch der Westfront ist zur Tatsache geworden. Die Schlacht um den Rhein ist zu Ende." Mit solchen Meldungen sollen deutsche Soldaten zum Überlaufen und deutsche Städte zum Aufgeben bewegt werden.

 Im April 1945 wendet sich "1212" an eine angebliche "Widerstandsgruppe Neues Deutschland", die der Sender selbst erfunden hat. Es wird so getan, als ob Deutsche innerhalb Deutschlands eine Widerstandsgruppe gegründet hätten, um den Krieg zu beenden. Unter dem Stichwort "Frieden jetzt!" wird zu Widerstand und Sabotage gegen das Nazi-Regime aufgerufen: "Könnt Ihr uns hören? Wir warten auf Euer Signal." Auch das Ende der "Operation Annie" - benannt nach der Villa Annie, in der die Mitarbeiter von "1212" untergebracht sind - ist eine Erfindung. Der Geheimsender inszeniert die eigene Einnahme durch alliierte Truppen. In der Nacht des 25. Aprils 1945 wird plötzlich das Programm unterbrochen: Stimmengewirr, Türenschlagen, schwere Schritte. Jemand schreit: "Leg die Platte auf! Leg die Platte auf!" Der Sender "1212" verschwindet aus dem Äther, wie er darin aufgetaucht ist: mit seiner Erkennungsmelodie, dem Volkslied "Es liegt eine Krone im tiefen Rhein".

Stand: 06.12.09