Stichtag

31. März 2009 - Vor 95 Jahren: Christian Morgenstern stirbt in Meran

1895 unternehmen acht Zechkumpanen einen Ausflug zum Galgenberg in Werder bei Potsdam. Der Ausflug muss schaurig gewesen sein, denn die jungen Künstler gründen anschließend den "Galgenbund". Fortan nennen sie sich Schuhu, Rabenaas, Verreckerle oder Gurgeljochem und treffen sich zur Henkersmahlzeit in düstren Kaschemmen. Ihr Stammtisch wird mit schwarzem Tuch verhüllt. Der Kellner muss sich als "Abdecker", die Kellnerin Sophie als "Henkersmaid" bezeichnen lassen. Derweil trägt Rabenaas der Gruppe schaurig-komische Gedichte vor.

Rabenaas, das ist der Dichter Christian Morgenstern. Geboren wird er 1871 als Sohn eines Landschaftsmalers in München. Als seine Mutter an Tuberkulose stirbt, bricht seine heile Kinderwelt zusammen. Morgenstern muss zu Verwandten nach Hamburg, danach in ein grässliches Internat in Landshut. Hier und ebenso während seines späteren Studiums der Nationalökonomie bleibt er ein Außenseiter. Mit 22 Jahren erkrankt Morgenstern selbst an Tuberkulose. Die Krankheit wird sich als dunkler Schatten über sein restliches Leben legen.Zunächst versucht Morgenstern, sich in Berlin als Übersetzer von August Strindberg und Knut Hamsun über Wasser zu halten. Nebenbei schreibt er Gedichte für seine Galgenbrüder. Als die Gruppe sich auflöst, hat sich Morgensterns Lyrik längst verselbstständigt. 1905 in einer Auswahl unter dem Titel "Galgenlieder" publiziert, trifft er einen in der deutschen Literatur bisher nicht vorfindbaren Ton: witzig, grotesk, klanglich verspielt und fantastisch, aber auch mit tiefem Hintersinn. "Man lacht sich krumm, bewundert hinterher, ernster geworden, eine tiefe Lyrik", betont auch Kurt Tucholsky: "und merkt zum Schluss, dass man einen philosophischen Satz gelernt hat". Morgenstern selbst versteht seine Dichtung als Schutz gegen das spießige Bürgertum: "Es gibt nur eine Rettung: Vor dem Ekel muss man sich mit Lachen schützen".

Der erste Band der "Galgenlieder" macht Morgenstern mit einem Schlag berühmt. Weitere folgen. Skurrile Lyrikschöpfungen wie Mondschaf, Ginganz und Nasobem erobern die Kleinkunstbühnen. Später erfindet der Dichter philosophisch-geisterhafte, sinnlose Charaktere wie Palmström und Korf, die seinen Ruhm, aber auch den Abscheu seiner Kritiker mehren. Gegen die Krankheit sucht Morgenstern Heil in der Mystik, in der Anthroposophie und in der Liebe: 1908 lernt er bei einer Kur in Südtirol Margareta Gosebruch von Liechtenstein kennen, die er zwei Jahre später heiratet. Da ist er schon zu Tode erkrankt. Morgenstern stirbt am 31. März 1914 in Meran.

Stand: 31.03.09