Im Herbst 1945 stehen Vertreter der amerikanischen Militärregierung vor einem kleinen Haus im Heidelberger Vorort Handschuhsheim. Zu seiner Überraschung erfährt Theodor Heuss, der gerade Teppiche klopft, dass er von den US-Behörden zum Kultminister - so der damalige Amtstitel des Kultusministers - von Württemberg-Baden ernannt worden ist.
Der liberale Journalist und frühere Reichstagsabgeordnete Heuss stellt nur eine Bedingung: Man möge ihm ein "Dienstmädle" finanzieren. So beginnt am 24. September 1945 die politische Nachkriegskarriere eines Mannes, der in den nächsten 14 Jahren Maßstäbe für die politische und moralische Kultur der neugeborenen Bundesrepublik setzt.
Zwei Amtszeiten
Zwei Mal fünf Jahre amtiert der Politikwissenschaftler als erster deutscher Bundespräsident. In dieser Zeit wird der volksnahe, väterlich wirkende Intellektuelle, noch vor Konrad Adenauer, zum beliebtesten deutschen Politiker. Und das, obwohl Heuss seinen Landsleuten die Auseinandersetzung mit ihrer dunklen Vergangenheit bis zuletzt nicht erspart.
"Das Ärgste, was der Hitler uns angetan hat … ist doch dies gewesen, dass er uns in die Scham gezwungen hat, mit ihm und seinen Gesellen den Namen Deutsche zu trage." Theodor Heuss, am 31. Januar 1884 im württembergischen Brackenheim geboren, weiß, wovon er spricht.
Als Abgeordneter der Deutschen Staatspartei stimmt er am 23. März 1933 dem Ermächtigungsgesetz zu, das der Nazi-Diktatur den Weg frei macht - gegen seine Überzeugung, dem Zwang der Fraktionsdisziplin gehorchend. Nur vier Monate später wird Heuss sein Parlamentsmandat entzogen. Er erhält Publikationsverbot und verliert sein Lehramt an der Deutschen Hochschule für Politik.
Seine politisch wie intellektuell ebenso engagierte Frau Elly, mit der er seit 1908 verheiratet ist, sorgt mit Werbefilmen, z.B. für Zahnpasta, für das Überleben bis zum Kriegsende. Nach der politischen Reaktivierung durch die US-Militärregierung 1945 engagiert sich Heuss für die liberale Bewegung in Deutschland.
Erster FDP-Vorsitzender
Im Dezember 1948 wählt ihn der Gründungsparteitag der Freien Demokratischen Partei (FDP) zum Vorsitzenden. Elly Heuss-Knapp setzt sich für soziale Reformen ein und gründet zwei Jahre später das Müttergenesungswerk.
Als Mitglied des Parlamentarischen Rates gehört Heuss zu den Vätern des Grundgesetzes. Mit dem ersten souveränen Akt des neuen Staates, den er mit begründet hat, wird Theodor Heuss am 12. September 1949 zum Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt.
Seine Sorge sei, dass manche Deutsche mit der Gnade des Vergessenkönnens "Missbrauch treiben und zu rasch vergessen wollen", sagt der oberste Repräsentant der neuen Republik in seiner ersten Rede vor dem Bonner Bundestag. "Wir müssen im Spürgefühl behalten, was uns dorthin geführt hat, wo wir heute sind."
Aufrechter Gang
Mit unzähligen Ansprachen gibt Heuss in den folgenden Jahren den Menschen ein Beispiel für den aufrechten Gang - wobei er den Schwierigkeitsgrad des Verfassens einer Rede jovial nach der Zahl der dabei konsumierten Flaschen Wein beziffert.
Gegen Ende seiner zweiten Amtszeit genießt er ein derart hohes Ansehen, dass ihm von allen Seiten eine dritte - verfassungswidrige - Periode angetragen wird. Doch "Papa Heuss", wie er zu seiner eigenen Abscheu genannt wird, bleibt standhaft. Der "Staatsmann ohne Machtlust" (Süddeutsche Zeitung) zieht sich zurück aufs intellektuelle Altenteil, hält weiter Reden und genießt das Leben, gern mit Zigarre und Rotwein. Wenige Wochen vor seinem 80. Geburtstag stirbt Theodor Heuss am 12. Dezember 1963 in seinem Haus in Stuttgart.
Stand: 31.01.09