Stichtag

29. September 2009 - Vor 25 Jahren: Verhaftungswelle gegen Mafia beginnt

Anfang der 1980er  Jahre werden in Palermo täglich Menschen erschossen - auf offener Straße, am helllichten Tag. Aber niemand sieht oder hört etwas. Die "Omertà", das Schweigegebot der italienischen Mafia, ist in Sizilien allgegenwärtig. "Das waren Zeiten, in denen man das Wort Mafia in der Öffentlichkeit gar nicht aussprechen durfte", erinnert sich Nando dalla Chiesa, Sohn des 1982 von der Mafia ermordeten Generals Carlo Alberto dalla Chiesa, der für wenige Monate Polizeipräfekt von Palermo war. "Als er in Palermo eintraf, war der Krieg der Mafia gegen den Staat bereits in vollem Gang. Die Mafia hatte zum ersten Mal einen Abgeordneten ermordet."

Gekämpft wird damals aber nicht nur gegen den Staat, sondern auch um die Vorherrschaft innerhalb der Organisation. Die "Corleonesi" - eine Mafia-Gruppe um ihren Boss Totò Riina aus der sizilianischen Kleinstadt Corleone - wollen die Macht übernehmen. "Es war eine Art Staatsstreich dieser Corleone-Gruppe", sagt Historiker Salvatore Lupo. "Das enorme Massaker zwischen 1981 und 1983 hat etwa 2.000 Tote gefordert." Richter Giovanni Falcone untersucht die Geldströme der Gewinner und Verlierer in diesem Mafia-Krieg. Falcone gelingt es, die "Pizza Connection" aufzudecken: die Verbindung zwischen der sizilianischen Mafia und der "Cosa Nostra" ("Unsere Sache") in den USA. Dank dieser Zusammenarbeit waren die sizilianischen Mafiabosse in das Geschäft mit Heroin eingestiegen. "Es waren die dicken Geschäfte im Heroinhandel, die die 'Corleonesi' dazu brachten, das Kommando innerhalb der Organisation an sich zu reißen", so Nando dalla Chiesa. "Der Mafia-Krieg traf zeitlich zusammen mit dem Krieg gegen den Staat."

Die Wende in diesem Krieg kommt im Sommer 1984. Falcone verhört Tommaso Buscetta, einen Mafia-Boss aus Palermo, der vor den "Corleonesi" nach Brasilien geflüchtet war und dort verhaftet wurde. Falcone, der ebenfalls aus Palermo stammt, spricht den 56-jährigen "Don Masino" im Dialekt an und überzeugt ihn, auszupacken. Buscetta redet tatsächlich - eine Sensation. Das Motiv für Buscetta ist Rache: Die "Corleonesi " haben fast seine ganze Familie umgebracht, nun liefert er sie ans Messer. 366 Haftbefehle werden erlassen. Am 29. September 1984 rollt in Sizilien eine Verhaftungswelle an, wie es sie bis dahin noch nie gegeben hatte.Den Ermittlern gehen auch Politiker und Unternehmer ins Netz, die eng mit der Mafia zusammenarbeiten. Weil sie diese Verbindungen ständig erneuern kann, existiert die Mafia auch heute noch, sagt Nando dalla Chiesa: "In einigen Fällen hat sie ihre eigenen Leute in politische Ämter gebracht, statt die Politiker zu bestechen. Das geht jetzt, weil die Söhne der Mafia-Bosse heute Anwälte sind oder sonst einen angesehenen Beruf haben."

Stand: 29.09.09