Mit den Nationalsozialisten hat Gustav Rau eigentlich nicht viel am Hut. Als der damalige NS-Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft den Oberlandstallmeister bittet, das Hakenkreuz ins Pferdebrandzeichen zu integrieren, lehnt er den "Unsinn dieses Phantasten" Adolf Hitler ab. Rau verliert seinen Posten, aber nur vorübergehend. Als die Olympischen Spiele 1936 in Berlin ausgerichtet werden sollen, wird er mit der Vorbereitung und Ausrichtung der Reiterspiele beauftragt. Die deutschen Reiter gewinnen Gold in allen Disziplinen.
Geboren wird Rau 1880 in Paris. Seine Kindheit verlebt er in der Schweiz und in Stuttgart. Schon zu dieser Zeit hält er sich am liebsten im Pferdestall auf. Nach seinem Schulabbruch macht er eine kaufmännische Lehre in einem Getreidegeschäft und ein Volontariat in der Landwirtschaft. Mit 21 Jahren wird er Redakteur der Berliner Zeitschrift "Sportwelt", die er schnell zu einer der bedeutendsten Pferdeblätter Deutschlands macht. 1907 erscheint sein Buch "Die Not der deutschen Pferdezucht", die heimischen Züchtern rät, ihre Tiere mit Araberpferden zu kreuzen, um vom "guten Temperament und der Genügsamkeit, überhaupt von der Ursprünglichkeit des Wüstenpferdes" zu profitieren.1912 verlieren die deutschen Reiter bei den Olympischen Spielen in Stockholm desaströs. Raus Vorschläge in Zeitungen und Zeitschriften kommen auch den obersten Militärs zu Ohren. Sie laden Rau ins Berliner Kronprinzenpalais, das der Redakteur als Generalsekretär des neu gegründeten Deutschen Olympia-Komitées für Reiterei verlässt. Rau organisiert die Olympischen Spiele von 1916, die aber wegen des Ersten Weltkrieges nicht stattfinden. Nach Kriegsende widmet sich der begeisterte Reiter dem Aufbau der brach liegenden deutschen Pferdezucht. Er ist es, der die Reiterei von einem Militärvergnügen zur Freizeitbeschäftigung der Zivilisten macht. 1924 gründet er die Ländlichen Reit- und Fahrvereine.
Nachdem Rau bei den Olympischen Spielen 1936 brilliert hat, schicken ihn die Nationalsozialisten 1939 ins besetzte Polen. Hier soll er die Pferdezucht organisieren. Nach 1945 arbeitet er wieder verstärkt an seinem Traum, vielseitige Turnierpferde zu züchten und den Reitsport in Deutschland wieder zur Weltspitze zu führen. 1947 entdeckt er auf der Suche nach neuen Olympiapferden auf einer Rennbahn die temperamentvolle Stute Halla, die bei den Olympischen Spielen 1956 mit dem verletzten Reiter Hans-Günter Winkler zur legendären Siegerin avanciert. Diesen Erfolg erlebt Rau nicht mehr mit. Er stirbt am 5. Dezember 1954.
Stand: 05.12.09