Stichtag

16. Februar 2009 - Vor 15 Jahren: Deutschlands erster Fixerraum in Hamburg

Dschinghis ist glücklich, denn er feiert gerade seinen 50. Geburtstag. "Ich finde das toll. Keiner hat gedacht, dass ich es so lange schaffe." Dass er so lange überlebt hat, verdankt der Drogenabhängige nach eigener Einschätzung der Hamburger Suchtberatungsstelle ABRIGADO und ihren Betreuern, die er regelmäßig besucht. Bis zu 180 Junkies kommen jeden Tag dorthin. Zum Essen, Kaffee trinken und Rat holen. Vor allem aber, um im so genannten Fixerraum unter medizinisch kontrollierten Bedingungen ihre mitgebrachten harten Drogen zu konsumieren. Dafür hat ABRIGADO-Geschäftsführer Norbert Dworsky viele Jahre gekämpft, denn drogenpolitisch wie rechtlich wurde lange über das Pro und Contra von Fixerräumen gestritten.

Zu Beginn der 90er Jahre gilt Hamburg als Drogen-Hauptstadt Deutschlands. Die Dealer-Szene rund um den Hauptbahnhof und in den angrenzenden Bezirken scheint mit polizeilichen Mitteln nicht mehr unter Kontrolle zu bekommen. Behörden wie Anwohner fühlen sich dem wuchernden Drogenhandel und seinen Begleiterscheinungen ohnmächtig ausgeliefert. In dieser Lage gründet Drogenberater Norbert Dworsky zusammen mit Bewohnern, Vertretern der Kirche und anderen sozialen Einrichtungen in St. Georg eine Stadtteilinitiative. Ihr Ziel: "Wir müssen Bedingungen schaffen, dass die Leute nicht mehr im öffentlichen Raum ihre Drogen konsumieren müssen." Das ist die Geburtsstunde der Fixerräume. Am 16. Februar 1994 öffnet das so genannte Drug-Mobil für Junkies seine Türen. In dem umgebauten Linienbus werden erstmals öffentlich Löffel, sterile Spritzbestecke und Alkoholtupfer zur Desinfektion bereitgehalten; Gegenstände, die Fixer zum Drogenkonsum benötigen. Wenige Monate später kommt das ABRIGADO als stationäre Einrichtung hinzu.

Nach dem Betäubungsmittelgesetz drohen den Betreibern der Fixerräume jedoch Haftstrafen bis zu fünf Jahren. Mehrere Hamburger Vorstöße im Bundesrat zur Änderung der Gesetzeslage scheitern. Daraufhin verständigen sich Justiz und Staatsanwaltschaft der Hansestadt auf die so genannte Hamburger Linie. Weil in den offiziell Gesundheitsräume genannten Einrichtungen nicht allein Drogenkonsum ermöglicht wird, sondern die Betroffenen menschlich stabilisiert und für eine Behandlung ihrer Sucht motiviert werden sollen, verzichten die Behörden auf eine Verfolgung der Mitarbeiter und Betreiber. Zwar werden gegen Dworsky und andere einige Verfahren eingeleitet, doch diese ruhen bis zur endgültigen Klärung der Gesetzeslage. Erst im Jahr 2000 kommt im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat die erhoffte Einigung auf politischer Ebene zustande. Seitdem sind Fixerräume rechtlich abgesichert und das Hamburger Modell macht sowohl im In- als auch im Ausland Schule. Zum Angebot dieser Einrichtungen gehören neben Safer-use-Beratung und Krisenintervention die Beratung der Angehörigen von Drogenabhängigen und die Vermittlung in Therapien oder Drogenersatzprogramme.

Stand: 16.02.09