Stichtag

26. August 2004 - Vor 5 Jahren: Australien bedauert Unrecht an Ureinwohnern

Die europäische Besiedelung des australischen Kontinents vor mehr als 200 Jahren ist für die Aborigines eine Katastrophe: Hunderttausende sterben bei Kämpfen mit den Einwanderern und an eingeschleppten Krankheiten. Andere verlieren ihr Land. Über ein Jahrhundert lang werden die Kinder von Ureinwohnern bis 1975 auf Erlass der Regierung den Müttern weggenommen und zur Umerziehung in Waisenheime, Missionsstationen und zu Pflegefamilien gebracht. Die Kinder dürfen nur noch englisch sprechen, ihr Namen werden geändert. Viele werden geprügelt, sexuell missbraucht oder als kostenlose Arbeitskräfte ausgebeutet. Die Kultur der Aborigines, die als älteste der Welt gilt, soll durch die Zwangsadoption aussterben. 1997 ergibt eine Untersuchung der australischen Menschenrechtskommission, dass mindestens 30.000 Aborigines aus ihren Familien gerissen worden sind. Sie bezeichnet diese Politik als "Völkermord". Am 26. Mai 1998 begeht die Bevölkerung den ersten nationalen "Sorry Day". In öffentlich ausgelegten Büchern können die rund 19 Millionen weißen Australier mit ihrer Unterschrift um Verzeihung bitten. Bisher haben sich 1,5 Millionen auf diese Weise für das Leid der Aborigines entschuldigt. Unter diesem politischen Druck will der konservative Premier John Howard einen Schlußstrich unter die Vergangenheit ziehen. Im Parlament von Canberra hält er am 26. August 1999 eine Rede, die zur Aussöhnung zwischen der weißen Bevölkerung und den schwarzen Ureinwohnern beitragen soll: "Das dunkelste Kapitel in der Geschichte Australiens ist zweifellos die Behandlung der Ureinwohner unseres Landes. Wir bedauern aufrichtig, was den Aborigines in der Vergangenheit widerfahren ist. Aber heutige Generationen für die Taten ihrer Vorfahren schuldig zu sprechen und verantwortlich zu machen - das wäre falsch und ein Unrecht."

Die Erklärung wird von der Opposition als "feige und wertlos" bezeichnet, weil eine offizielle Entschuldigung ausgeblieben ist. Labour-Chef Kim Beazley beschuldigt die Konservativen, eine einmalige Gelegenheit versäumt zu haben. Bloßes Bedauern von Völkermord, Land-Vertreibung und jahrzehntelanger Entrechtung der Aborigines sei zuwenig. Der Aborigine-Aktivist Pat Dodson kritisiert, dass die Erklärung "ohne Rücksicht auf den Standpunkt der Aborigines" gemacht worden sei: "Von Gefühl keine Spur. Und für alle Ureinwohner, die gelitten haben, gibt es kein Wort einer ernst gemeinten Entschuldigung." Die "geraubte Generation" sei nicht einmal erwähnt worden. Geändert hat sich für die 450.000 australischen Ureinwohner nach wie vor wenig. Die meisten leben weiter als Menschen zweiter Klasse. Jeder zweite ist ohne Job, alkoholabhängig oder lebt von staatlicher Unterstützung. Die Selbstmord-Rate ist sechsmal höher als bei Weißen, die Lebenserwartung fast 30 Jahre niedriger.Stand: 26.08.04