Josef Friedrich Schmidt ist stolz auf seine Kinder. Zum Leidwesen des Vaters aber macht sich die Lebendigkeit der drei Knaben in Spielen Luft, die mit einem Übermaß an Lärm verbunden sind. Deshalb sucht Schmidt nach einer Möglichkeit, Spaß und Frust, Neid und Schadenfreude seiner Jungs geräuschfrei in gesittete Bahnen zu lenken. In England wird er fündig. "Eile mit Weile" heißt das Spiel, das die verschiedensten Emotionen auf das Spielbrett konzentriert und dessen Regeln Schmidt 1907 konsequent vereinfacht.Das erste "Mensch ärgere dich nicht" für seine Kinder zeichnet Schmidt auf eine Hutschachtel. Wegen des Erfolgs im Freundeskreis entschließt er sich fünf Jahre später, in Produktion zu gehen. 1914 kommen 3.000 Exemplare auf den Markt. Ein schlechter Zeitpunkt, denn Deutschland steckt im Krieg. Kurzerhand verschenkt Schmidt "Mensch ärgere dich nicht" an die Männer an der Front. Die Idee entpuppt sich als genialer Werbefeldzug. Denn die Soldaten spielen nicht nur begeistert, sondern nehmen das Geschenk nach der Niederlage Deutschlands auch mit nach Hause und empfehlen es weiter. 1920 sind bereits eine Million Spiele verkauft.
Kriegsspielzeug und Klassenkampf
Im zweiten Weltkrieg nutzt Schmidt die Langeweile an der Front professioneller. Besorgte Frauen können ihren Männern und Söhnen eigene Feldpostausgaben von "Mensch ärgere dich nicht" schicken, auf deren Schachteln nur noch Absender und Adressat verzeichnet werden müssen. Gleichzeitig entdecken die Nationalsozialisten das Spiel der Emotionen für ihre Propagandazwecke. Als "Jugendkriegsspiel" mit einem eisernen Kreuz als Grundfläche soll der Soldatennachwuchs auf dem Brett den Ernstfall üben. Ziel ist die Eroberung von Paris.Später wird der real existierende Sozialismus gleich mehrere Varianten von "Mensch ärgere dich nicht" kennen, die die marxistisch-leninistische Weltsicht in die Wohnstuben der Plattenbauten transportieren. Neben "Wir werfen raus" und "Mensch, bleib ruhig" erprobt das originellste Plagiat den Kampf gegen den Klassenfeind. Bei "Der Wettlauf um die Welt" geht im Osten des Spielfelds nicht nur die Sonne auf. Die Felder stehen in voller Pracht, das Wasser ist blau, die Wiesen grün, Fabriken werkeln ohne Schadstoffausstoß. Demgegenüber ist der Himmel des Westens, in den unschöne Wolkenkratzer ragen, mit Kriegsflugzeugen übersät. Wer Pech hat, muss mit den neidgelben Figürchen des Kapitalismus gegen die guten roten spielen.
Schmidt stirbt 1948 in München. Sein Unternehmen aber expandiert weiter. "Mensch ärgere dich nicht" erobert weiter die Wohnzimmer. Bis heute wurde der Klassiker rund 70 Millionen Mal verkauft. Jedes Jahr wandern immer noch etwa 100.000 Exemplare über den Ladentisch.
Stand: 09.06.07