Mitte des 19. Jahrhunderts ereignet sich in China der wohl größte und blutigste Aufstand der Menschheitsgeschichte, der im Westen bis heute recht unbekannt geblieben ist. Dabei beruft sich sein Anführer Hong Tsiü Chiang auf das Christentum. In einer Vision hat der gescheiterte Beamte aus der Provinz Guangxi im Himmel den Auftrag erhalten, den Teufel von der Erde zu verjagen – wie einst der Sohn Gottes bei den Christen. Der Teufel: Das ist der Mandschu-Kaiser der seit 200 Jahren regierenden Dynastie.China erlebt im 19. Jahrhundert eine erste Bevölkerungsexplosion. Hunger, Verelendung und soziale Spannungen sind die Folge, die Verwaltung ist unfähig und korrupt. Aufstände häufen sich. Hong Tsiü Chiang kann die unzufriedenen Kräfte bündeln und nennt seine Bewegung Taiping. Die Taiping-Krieger erobern bald alle Provinzen des chinesischen Südens. In Nanjing errichtet Hong Tsiü Chiang seine kaiserliche Hauptstadt, erklärt sie zum "Neuen Jerusalem" und entwirft eine egalitäre und strenge Gesellschaftsordnung, eine Art Mischung aus Kommunismus und Christentum.
Aber die Mandschu geben sich nicht geschlagen. Die Regierungstruppen führen 15 Jahre lang Krieg gegen die Opposition. Der Kampf wird von beiden Seiten mit äußerster Brutalität geführt. In Städten, die den Herrscher wechseln, wird häufig die ganze Bevölkerung niedergemetzelt. Der Krieg hat Schätzungen zufolge 20 bis 50 Millionen Opfer gefordert – eine Zahl, die in Europa erst durch die Weltkriege vorstellbar wird.
Am 19. Juli 1864 ist das "Himmelreich des ewigen Friedens" (wie Taiping übersetzt wird) endgültig ausgelöscht. An diesem Tag brechen die kaiserlichen Truppen nach jahrelanger Belagerung durch die Stadtmauern von Nanjing. Hong Tsiü Chiang hat sich wenige Tage zuvor das Leben genommen.
Stand: 19.07.04