Stichtag

05. Januar 2007 - Vor 85 Jahren: Sir Ernest Henry Shackleton stirbt

Im August 1914 macht sich Sir Ernest Henry Shackleton mit dem hölzernen Dreimaster "Endurance" von London aus nach Süden in die Antarktis auf. Am Nordpol weht die Flagge der USA, den Südpol hat Roald Amundsen für Norwegen in Besitz genommen. Jetzt gilt es, mit der erstmaligen Durchquerung der Antarktis im Auftrag Englands das letzte große polare Abenteuer zu bestehen. Aus einer Flut von 5.000 Bewerbungen hat Shackleton Wissenschaftler, Techniker und Seeleute für seine Expedition ausgewählt. Am Ende sind es 28 Mann. Zuverlässigkeit, Ausdauer und Mannschaftsgeist sind Einstellungsvoraussetzungen - und Humor.Humor kann die Besatzung der "Endurance" auch gebrauchen. Denn Shackleton hat die schlechten Wetterbedingungen unterschätzt. Anfang 1915 brechen eisige Stürme über das Schiff herein. "Ein Inferno von Eisblöcken" schlägt immer wieder gegen die Bordwand. Schließlich ist die "Endurance" gänzlich festgefroren. Shackleton kann nur auf das Ende des Winters warten - und seine Mannschaft mit unbändigem Optimismus animieren. Man amüsiert sich bei Eisfußball und Schlittenrennen. Im Wettkampf geht es um den "Großen Preis der Antarktis".

Leben ohne Sonne

Im Mai verabschiedet sich die Sonne in den Winterschlaf. Von jetzt umgibt ewige Dunkelheit die "Endurance". Im Oktober wird das Schiff zerdrückt. Die Mannschaft ist auf einer riesigen, nur anderthalb Meter dicken Scholle im Packeis gefangen. Mit fünf Zelten, 18 Schlafsäcken und drei Rettungsbooten treibt sie bei Temperaturen um 36 Grad minus schließlich im Weddelmeer des Südlichen Ozeans. Shackleton bleibt nur die Flucht nach vorn. Mit den drei Ruderbooten versucht er, das unbewohnte Elephant Island zu erreichen, bevor das Eis unter den Füßen geschmolzen ist. Dank der Navigationskunst des Kapitäns sind Shackletons Leute die ersten Menschen, die es schaffen, an der Steilküste des Eilands an Land zu gehen. Aber Shackleton muss weiter. Er beschließt, mit fünf seiner Männer eine Walfangstation auf der winzigen Insel South Georgia zu erreichen: 800 Meilen in einem sieben Meter langen Ruderboot auf dem gefährlichsten Ozean der Welt. Den Rest der Mannschaft lässt er zurück. Er verspricht zurückzukommen.

Nach 17 Tagen und ungeheuerlichen Strapazen ist das Wunder vollbracht. Shackleton erreicht South Georgia. Es ist eine der größten Leistungen in der Geschichte der modernen Seefahrt. Aber die Walfangstation liegt am anderen Ende der Insel. Erschöpft, halb erfroren und dem Wahnsinn nahe überwinden Shackletons Männer 1.800 Meter hohe Gebirge, Gletscher, tückische Felsspalten. Im Mai 1916 werden die völlig verwahrlosten Männer in ihrer seit einem Jahr ununterbrochen getragenen Kleidung von Walfängern in Empfang genommen. Drei Monate später kann Shackleton die chilenische Regierung überreden, ihm einen Trawler zur Rettung der restlichen Kameraden zu überlassen. Als er auf Elephant Island ankommt, trifft er alle lebend an.Nach seinen übermenschlichen Strapazen in der Antarktis findet Shackleton nicht mehr in ein bürgerliches Leben zurück. Das ewige Eis hält ihn in Gedanken weiterhin gefangen. 1921 bricht er mit einigen Crewmitgliedern der "Endurance" zum vierten Mal in den Süden auf. 47-jährig stirbt Shackleton in der Nacht zum 5. Januar 1922 auf seinem Schiff vor  South Georgia an Herzversagen.

Stand: 05.01.07