Stichtag

02. Juli 2006 - Vor 210 Jahren: Möbeltischler Michael Thonet geboren

Mit sieben Jahren verliebt sich Filmregisseur Billy Wilder unsterblich. "Nicht in ein Mädchen", wird er später sagen. "Das gab es schon mit fünf." Nein: Billy Wilder verliebt sich in ein merkwürdiges Möbelstück. Im fernen Galizien besitzt die Großmutter ein Hotel in der Hohen Tara, und das einzige, was den kleinen Billy dort interessiert, ist ein Schaukelstuhl in Omas Salon. "Er war schwer in Ordnung. Eine sinnliche Brezel mit Schlaufen, Schnörkeln und Kringeln."Erfunden hat die Brezeln zum Sitzen der Möbeltischler Michael Thonet. Geboren wird er am 2. Juli 1796 in Boppard am Rhein. Dort gründet er auch seine eigene Schreinerwerkstatt. Um 1830 beginnt Thonet, mit Holzbiegetechniken zu experimentieren, um Möbelstücke in der Produktion billiger zu machen. Unter großem Druck und extremer Hitze aus einem Dampfkessel verbiegt er Schichtholz auf bisher unbekannte Art und Weise. Nach dem Baukastensystem werden die Einzelteile später zusammen gebaut. Thonets Möbel sind zerlegbar, können Platz sparend gestapelt und, in handlichen Kartons verpackt, versendet werden: Für die Kalkulation der Kosten und die Logistik ein nicht zu unterschätzender Vorteil gegenüber der Konkurrenz.

Der österreichische Staatskanzler Clemens Fürst von Metternich ist derart begeistert von Thonets Kreationen, dass er den Schreiner 1842 nach Wien holt. Hier baut der vorausschauende Geschäftsmann sein Unternehmen zu einem Möbelimperium aus, das immer noch existiert: nicht zuletzt dank der Anzeigen in Zeitschriften mit Bildern seiner Möbel – damals eine noch weitgehend unbekannte Strategie. Heute werden die berühmten Bugholzmöbel von den Ururenkeln Michael Thonets im hessischen Frankenberg hergestellt. Darunter ist auch der legendäre Stuhl Nr. 14, der zur Jahrhundertwende die Wiener Kaffeehausszene revolutionierte. Bis heute hat er sich über 50 Millionen mal verkauft.

Stand: 02.07.06