Heinrich Heine

Stichtag

17. Februar 1856: Heinrich Heine stirbt in Paris

Für Pio Bighi ist schon vor der Lektüre alles klar: Heinrich Heine sei der "Chef einer Sekte, die sich Junges Deutschland nennt", gibt der römische Moraltheologe zu Protokoll. "Voller Hass gegen das Christentum und speziell den Katholizismus" seinen die Schriften des 1825 protestantisch getauften Juden. Im Auftrag des Vatikans hat Bighi Heines "Reisebilder" und "Über Deutschland" einer genauen Kontrolle unterzogen. Ihre literarischen Qualitäten interessieren ihn dabei nicht. Nach seinem Urteil werden die Bände 1836 auf die Liste der verbotenen Bücher gesetzt. In einem zweiten Indizierungsverfahren kommen 1844 gleich nach Erscheinen auch Heines "Neue Gedichte" auf den Index. Demnach dürfen Katholiken die Werke Heines bis zur Aufhebung der Vorschrift 1966 eigentlich nicht lesen.


Wer Heines Werk im Vatikan anzeigte, ist nicht bekannt. Einiges spricht für den restaurativen Wiener Staatskanzler Klemens Wenzel Lothar von Metternich, dem der Dichter wegen seiner aufgeklärten Art ein Dorn im Auge ist. Auch in Österreich hat Metternich Heine einer strengen Zensur unterworfen.  Bighi kritisiert denn auch, dass Heine die Freiheit zu einer Religion erhoben und Paris als Hauptstadt des freien Geistes zum "neuen Rom" ausgerufen habe. Nach Paris hatte sich Heine 1831 vor der Zensur geflüchtet. In der Folge werden selbst Heines noch nicht geschriebene Bücher in Preußen (1833) und auf Beschluss des Frankfurter Bundestages in allen Staaten des Deutschen Bundes (1835) verboten.


In Paris wird Heine den Rest seines Lebens bleiben: die letzten acht Jahre fast gelähmt in seiner "Matrazengruft". In Paris lernt er mit dem Ladenmädchen Eugenie Crescentia Mirat seine große Liebe kennen. Und trotzdem nimmt er Deutschland an den Schuhsohlen mit. Selbst die Mirat nennt er Mathilde. "Dies ist mein Land, das ist meine Sprache, ich gehöre dahin", schreibt Heine einmal. Auch die oftmals fehlgedeuteten Zeilen "Denk’ ich an Deutschland in der Nacht / So bin ich um den Schlaf gebracht" aus "Deutschland. Ein Wintermärchen" (1844) zeugen weniger vom Hass auf seine Heimat als vielmehr von der Trauer des Verlusts. Den Zensoren zuhause macht Heine auf seine unvergleichliche Art den Prozess: in Feuilletons, Reiseberichten und Gedichten, mit der Feder, die seine schärfste Waffe ist. In einem Text aus dem zweiten Teil der "Reisebilder" (1827) sind alle Worte durch Striche als ironische Vorzensur ersetzt. "Die deutschen Censoren … Dummköpfe" steht da im Meer der Streichungen.

Heines Schaffenskraft und sein Wille zur politischen Kritik lassen trotz schwerer Nervenkrankheit bis zum Tod nicht nach. Als er selbst nicht mehr schreiben kann, diktiert er seine scharfen Verse einem Sekretär. Der Dichter stirbt am 17. Februar 1856 in Paris. Die Zensur verfolgt ihn über den Tod hinaus. Ein von Österreichs Kaiserin Elisabeth ("Sissi") unterstützter "Loreley"-Brunnen wird wegen antisemitischer Widerstände nie in Düsseldorf aufgestellt. 1899 holen ihn deutsche Emigranten in die New Yorker Bronx. Der einflussreiche Literaturkritiker Adolf Barthels brandmarkt den Dichter 1906 in seinem berühmt-berüchtigten Aufsatz "Heinrich Heine. Auch ein Denkmal" als "Decadence-Juden". Und die Nationalsozialisten machen es sich zunutze, dass das Gedicht der "Loreley" bereits Volksgut geworden ist. Da sie die Verse nicht verbieten können, schreiben sie in den Schul- und Lesebüchern einfach "Verfasser unbekannt" unter die Zeilen.


Stand: 17.02.06