17. April 1616: William Harvey beschreibt den Blutkreislauf

Das Herz als Pumpe

Das Blut wird in der Leber produziert, im Herzen durch Luft aus der Lunge angereichert und fließt dann durch Poren in den Herzkammerwänden in die Adern. Die bringen es zu den Organen, welche das Blut als ihre Nahrung verbrauchen. So lehrt es die Medizin fast eineinhalb Jahrtausende, seit der griechische Arzt Galenius im 2. Jahrhundert nach Christus eine medizinische Gesamttheorie entwickelte. Galenius' Lehre zeugt von großen anatomischen Kenntnissen. Der Mediziner gewinnt sie zum Teil an den Körpern der Gladiatoren, die er behandelt.William Harvey behandelt die englische Königsfamilie. Der Londoner Arzt, 1587 in Folkstone geboren, hat in Cambridge und Padua studiert. Als Anatom und Leiter des College of Physicians überprüft er die Lehre Galenius'. Harvey stellt eine einfache Berechnung an: Das Herz fasst etwa hundert Milliliter Blut. So viel treibt es pro Schlag in den Körper. Es schlägt 60 Mal pro Minute, bewegt also 360 Liter pro Stunde. Die Leber müsste demnach mehr Blut produzieren, als ein Mensch überhaupt Nahrung aufnehmen kann. Außerdem findet Harvey beim Sezieren keine Herzporen, sondern ein Kammernsystem für Hin- und Rückfluss. Sein Schluss: Das Blut bewegt sich in einem Kreislauf.

Am 17. April 1616 stellt Harvey seine neue Theorie bei einer Vorlesung in London vor. Er demonstriert sie in einem einfachen Experiment, indem er einer Versuchsperson zeitweise den Unterarm abbindet. Die geschwollenen Venen zeigen, dass hier Blut nicht zurückfließen kann. Erst zehn Jahre später erscheint das Buch zur Entdeckung. Auch Gladiatorenarzt Galenius hätte es verstanden, denn es trägt den Titel: "Exercitatio anatomica de motu cordis et sanguinis in animalibus". Aber Galenius' Anhänger bezweifeln und bekämpfen die neue Lehre noch über hundert Jahre lang. Der Philosoph René Descartes erkennt dagegen sofort ihre Bedeutung: "Die Kreislauflehre ist so wertvoll, dass ich glaube, dass keine bedeutsamere noch nützlichere in der Heilkunst gefunden wurde." Tatsächlich ist die moderne Medizin von Blutdruckmessung bis zu Herzoperationen ohne Harveys Einsicht nicht denkbar. Der englische Arzt stirbt am 3. Juni 1657 an einem Schlaganfall.


Stand: 17.04.06