Stichtag

23. Juli 2004 - Vor 30 Jahren: Ende der Militärherrschaft in Griechenland

Die Millionenstadt Athen schwirrt an diesem sommerlichen Dienstag vor Gerüchten. Es gibt einen Regierungswechsel, flüstern und hoffen viele am 23. Juli 1974. Der amerikanische Außenminister Henry Kissinger soll von der Möglichkeit eines baldigen Wechsels gesprochen haben, wissen einige. Seit sieben Jahren wird Griechenland von einem Militärregime beherrscht. 100.000 Griechen haben ihre Heimat verlassen, in der es nun Folter und Gefängnisse für politische Gefangene gibt, Ausgangssperren und Pressezensur. Die Musik von Mikis Theodorakis ist ebenso verboten wie der Minirock.Am Dienstagnachmittag bestätigen sich die Gerüchte um ein baldiges Ende des Militärregimes: Die Junta trommelt die Männer zusammen, die sie jahrelang als Schwatzbuden-Politiker denunziert und verfolgt hat, und erhofft sich von ihnen einen Ausweg aus der Krise. Denn wenige Tage zuvor haben türkische Truppen einen Teil Zyperns besetzt. Noch am Abend ruft der amtierende Staatspräsident, ein General, den früheren Premier Konstantin Karamanlis, einen Konservativen, im französischen Exil an. In der Nacht trifft Karamanlis auf dem Athener Flughafen ein, gefeiert von einer jubelnden Menge. Am Mittwoch wird er als neuer Premierminister vereidigt. Eine seiner ersten Entscheidungen: Alle politischen Gefangenen erhalten ihre Freiheit wieder. Am Abend des selben Tages kommt ein weiterer Exilant nach Athen zurück, ebenfalls stürmisch gefeiert: Mikis Theodorakis, dessen einst verbotene Lieder jetzt sogar der Militärsender spielt.

Karamanlis und seine Regierung sorgen innerhalb eines Jahres für freie Wahlen, eine neue Verfassung und die Verhaftung der Junta-Offiziere. Die werden im Sommer 1975 wegen Hochverrats zu lebenslanger Haft verurteilt. An die Schrecken ihrer Herrschaft erinnert das weltberühmte Buch "Ein Mann" von Oriana Fallaci, in dem sie Leben und Leiden des Widerstandskämpfers Alexandros Panagoulis schildert. Zwei Jahre nach dem Ende des Militärregimes starb er bei einem Verkehrsunfall - vermutlich einem Mordanschlag von Neofaschisten.

Stand: 23.07.04