Stichtag

28. Februar 2006 - Vor 35 Jahren: Liechtensteiner stimmen gegen Frauenwahlrecht

Seine Durchlaucht Erbprinz Johann Adam bringt es selbst auf den Punkt: "Eigentlich ist das ein Kuriosum, dass der Fürst sich dafür ausgesprochen hat, ebenso seine ganze Familie, die Regierung, das Parlament, beide Parteien, aber bis jetzt die Mehrheit der Männer immer Nein gesagt hat." Die Verwunderung ist groß, als am 28. Februar 1971 das Ergebnis eines Volksentscheids vorliegt: 51,09 Prozent der Wähler lehnen die Einführung des Frauenwahlrechts im Fürstentum ab. Natürlich sind diese Wähler ausschließlich Männer.Ein Betriebsunfall? Viele Beobachter weisen darauf hin, dass die Verfassungsänderung von den Regierenden nur pflichtschuldig bejaht wurde - schließlich hat wenige Wochen zuvor die Schweiz als letzter Staat in Europa ihre Frauen zu den Urnen zugelassen. Wirklich überzeugt zeigt sich das männliche Establishment in Liechtenstein jedoch nicht. Am Ende fehlen für eine Verfassungsänderung nur 81 Stimmen. Deshalb legt das Parlament schon zwei Jahre später die Frauenfrage wieder vor. Diesmal stimmen 55,9 Prozent der Männer gegen das Wahlrecht der Frauen. Gerade die jungen Erstwähler erweisen sich als Verteidiger der patriarchalen Tradition im Grenzstaat zwischen Österreich und der Schweiz.

Jetzt gehen die Frauen in die Offensive: Eine "Aktion Dornröschen" will nicht länger schlafen, bis ein Prinz sie aufweckt. Die Frauen klagen vor dem Staatsgerichtshof von Liechtenstein. Der bemüht allerdings das Neue Testament: "Die Frau schweige in der Gemeinde." Daraufhin reichen zwölf Frauen Klage beim Europarat ein. Liechtenstein mache sich einer massiven Menschenrechtsverletzung schuldig, es sei ein Geschlechter-Apartheids-Staat. Der außenpolitische Druck wirkt. 1984 gibt es erneut ein Referendum - und nun eine knappe Mehrheit von 51,3 Prozent für das Frauenwahlrecht. 1992 wird die Gleichberechtigung in der Verfassung festgeschrieben, seit 1999 gibt es ein Gleichstellungsgesetz. Die Frauen in Liechtenstein haben damit noch vor der Jahrtausendwende erreicht, was es etwa in Finnland schon seit 1906 gilt.

Stand: 28.02.06