"Eine Ehrenformation der Nationalen Volksarmee ist zu Ihrer Begrüßung angetreten. Losung des Tages: Wir begrüßen und beglückwünschen den Vorsitzenden des Staatsrates der DDR zu seiner Wahl." SED-Generalsekretär Erich Honecker hat es geschafft: Neben dem Amt des Parteichefs führt der 64-Jährige nun auch den Vorsitz im Staatsrat und ist damit formell das Staatsoberhaupt der DDR. Außerdem leitet Honecker wie bisher den Nationalen Verteidigungsrat, der im Fall eines inneren und äußeren Notstandes alle Vollmachten erhält. Nach seiner Wahl durch die Volkskammer am 29. Oktober 1976 wird er in seinem neuen Ostberliner Amtssitz am Marx-Engels-Platz mit einem militärischen Zeremoniell und "Hoch!"-Rufen willkommen geheißen. Der Yorksche Marsch wird gespielt.Der Staatsrat der DDR wird im September 1960 gegründet. Kurz nach dem Tod von Wilhelm Pieck, dem ersten DDR-Präsidenten, setzt der damalige SED-Generalsekretär Walter Ulbricht eine Änderung der Staatsführung durch: Das Amt des Staatspräsidenten wird durch ein kollektives Staatsoberhaupt, den 16-köpfigen Staatsrat ersetzt. Damit werden die Repräsentanten der Blockparteien zumindest formal in die Staatsführung einbezogen. Erster Staatratsvorsitzender wird Ulbricht.
1971 wird Ulbricht von Honecker entmachtet. Angeblich aus gesundheitlichen Gründen tritt Ulbricht als SED-Generalsekretär zurück. Sein Nachfolger wird Honecker. Ulbricht darf zwar weiterhin Staatsratsvorsitzender bleiben, doch Honecker stuft den Staatsrat zu einem reinen Repräsentativorgan zurück. "Da gab es nichts mehr zu entscheiden, sondern nur noch zu bestätigen", sagt der Historiker und Ulbricht-Biograph Norbert Podewin. Im August 1973 stirbt Ulbricht. Zunächst übernimmt Willi Stoph das Amt des Staatratsvorsitzenden. Doch als sich in der Sowjetunion abzeichnet, dass Leonid Breschnew die höchsten Ämter in Staat und Partei - erstmals seit Stalins Tod - in einer Person ausüben wird, will Honecker nicht nachstehen. Im Oktober 1976 lässt er sich zum Staatsratsvorsitzenden wählen. An der Schwelle zum Rentenalter ist Honecker auf dem Höhepunkt seiner Macht angekommen. Fast genau 13 Jahre später kommt für ihn das Aus: Am 18. Oktober 1989 wird Honecker im Politbüro zum Rücktritt genötigt. Seine Ämter übernimmt Egon Krenz - für ein paar Wochen. Am 9. November besiegelt der Fall der Mauer das Ende der SED-Herrschaft.
Stand: 29.10.06