Der Sturm ist da. Innerhalb von wenigen Stunden wird er zum Orkan. Mit Windstärke 13 weht der Wind am Morgen des 3. Januar 1976 über die Nordseeküste, peitscht das Wasser gegen die Deiche, knickt Bäume um, hebt Dächer ab. Technisches Hilfswerk, Bundeswehr und Feuerwehr sind im Dauereinsatz, stopfen mit Sandsäcken die Löcher, die die Wellen rissen. So heftig hat es die Gegend noch nie erwischt. Die Bewohner müssen mit dem Schlimmsten rechnen. Aber die Katastrophe bleibt aus: Die Deiche halten, zumindest in den Wohngebieten. Nur einige Äcker werden überschwemmt. Die schwerste Sturmflut an der Nordseeküste bleibt in weiten Teilen wirkungslos.Dass 1976 alles gut geht, verdanken die Küstenbewohner hinter den Deichen und Sperrwerken zwei vorangegangenen Katastrophen. 1953 erschüttert eine Sturmflut die niederländische Küste. Rund 2.000 Menschen finden damals in den Fluten den Tod; der wirtschaftliche Schaden ist kaum absehbar. Neun Jahre später überfallen Wind und Wogen Deutschland. Eine Wasserwand wird die Elbe hinaufgedrückt. Die Welle überrascht Hamburg gänzlich unvorbereitet. 300 Menschen sterben in der Hansestadt, 60.000 werden obdachlos. Der Pegel in St. Pauli zeigt 5,70 Meter über Normalnull als Höchststand an. Das Küstenschutzprogramm, das die Bundesregierung danach anstößt, zeigt 1976 Wirkung. Auch während der "Januarflut" steigt der Pegel am Hamburger Hafen auf 6,45 Meter an. In die Innenstadt allerdings dringt das Wasser nicht.
Trotzdem: Die Ruhe vor dem nächsten Sturm ist trügerisch. Schon jetzt warnen Experten vor der nächsten Flut. Schuld ist die Erderwärmung. "Der Ozean wird wärmer", sagt etwa Hans von Storch, Leiter des Instituts für Küstenforschung in Geesthacht, "und das ist ja ein ziemlich dicker Bursche. Und wenn dieser dicke Bursche wärmer wird, dann dehnt er sich aus." Bereits im Jahr 2030 rechnet Storch mit 20 Zentimeter höheren Sturmwasserständen. 2085 werden sie sogar um 70 Zentimeter steigen – eine Entwicklung, die jetzt schon unumkehrbar ist.Stand: 03.01.06