Stichtag

13. Februar 2005 - Vor 20 Jahren: Wiedereröffnung der Dresdner Semper-Oper

Am 13. Februar 1985 nimmt ein ungewohnt aufgeräumter Erich Honecker in der Königsloge der Semper-Oper zu Dresden Platz. Über ihm prangt ein rot-samtener Baldachin mit goldener Krone, zu seinen Seiten Schabracken mit dem königlich-sächsischen Wappen. Gemeinsam mit Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt und allem, was in der Musikwelt Rang und Namen hat, lauscht der SED-Chef Carl Maria von Webers "Freischütz". Draußen auf dem weitläufigen Theaterplatz haben sich im Laufe des frostklirrenden Tages an die 200.000 Menschen versammelt. Viele schwenken Fahnen, rote, schwarz-rot-goldene, mit und ohne DDR-Symbolen. Nicht wenige stehen begeistert bis tief ergriffen vor diesem wunderbar prächtig wieder erstandenen Monument aus einer besseren Zeit.Die Wiedereröffnung genau 40 Jahre nach der Zerstörung im  Bomben-Inferno ist streng genommen das sechste Ereignis dieser Art am selben Ort. Als Gottfried Semper 1838 mit dem Bau der ersten von ihm entworfenen Oper beginnt, hat das reiche Dresden schon zwei Theaterbauten am historischen Platz besessen. Der Architekt errichtet einen dreigeschossigen Bau, der bei seiner Einweihung am 12. April 1841 als "schönstes Theater der Welt" gerühmt wird. Semper, 1803 in Hamburg geboren, ist der herausragende Baumeister Dresdens. Mit städtebaulichen Konzeptionen und öffentlichen Gebäuden hat er das Stadtbild geprägt. Am 29. September 1869 brennt der im Stil der italienischen Frührenaissance errichtete Bau ab. Flugs bauen die kunstversessenen Dresdner ein Interims-Theater aus Holz auf, "Bretterbude" genannt. 1870 wird Semper dann von König Johann mit dem Neubau  beauftragt. Acht Jahre später ist das Haus fertig und gehört ab sofort zu den herausragenden Bühnen Europas. Richard Wagner bringt hier drei Uraufführungen heraus, Richard Strauß sogar neun seiner 15 Opern.

In der Semper-Oper wurde Musik-Geschichte geschrieben - bis zur Nacht des 13. Februar 1945. Danach stehen nur noch die verkokelten Fassaden und ein Teil der Wandelgänge. Lange werden sich die Realsozialisten nicht einig, was aus der bourgeoisen Erblast werden soll. Schließlich setzt sich Respekt vor historischer Tradition und Größe durch. Im Juni 1977 legt Chef-Architekt Wolfgang Hänsch den vorläufig letzten Grundstein zum Wiederaufbau. Könner aus 274 Betrieben lassen das historische Gebäude im Wesentlichen in originaler Gestalt aus Ruinen wieder auferstehen. - Vier Jahre nach dem ersten "Freischütz" wird die Semper-Oper wieder zum Geschichts-Schauplatz, diesmal ohne Erich Honecker. Auf dem Theaterplatz demonstrieren Zehntausende für Freiheit. Drinnen wird Beethovens "Fidelio" gegeben. Stacheldraht trennt die Bühne vom Publikum. Die Inszenierung verlegt das Gefangenen-Drama in den Stasi-Knast von Bautzen.Stand: 13.02.05