Aus dem ganz normalen Wahnsinn von Haus Nummer drei in der Münchner Lindenstraße gibt es kein Entrinnen. Mutter Beimer wird sich lebenslänglich Sorgen machen müssen, Dr. Dressler auf ewig im Rollstuhl sitzen und Else Kling bis zum Sankt Nimmerleinstag ihre Hasstiraden in den Hausflur brüllen. Denn die berühmte Serie ist die erste der ARD, die auf endlos ausgerichtet ist. Wer der bekanntesten Problemzone Deutschlands entfliehen will, muss sich den Tod auf den Schauspielleib schreiben lassen – oder wirklich sterben. 31 teils spektakuläre Todesfälle hat es schon gegeben in der Lindenstraße, sieben Verkehrstote, drei Selbstmorde, einen Triebtäter- und einen Bratpfannenmord. Else Kling ist wohl eine, die bis zum Ende bleiben wird. "Gerade jetzt, wo sie so zerbrechlich ist, versuchen wir sie so oft wie möglich einzusetzen", sagt Produzent und "Lindenstraße"-Erfinder Hans W. Geißendörfer. Wegen ihres hohen Alters will er sie aus der Serie nicht herausschreiben: "Wir machen auf keinen Fall die Vorboten des Todes."Die Beliebtheit der "Lindenstraße" war am Anfang kaum absehbar. Als die "Serie am 8. Dezember 1985 nach dem Vorbild der 15 Jahre älteren britischen Serie "Coronation Street" erstmals auf Sendung geht, hallt ein Aufschrei des Entsetzens durch die deutschen Feuilletons. "Das sollen wir sein? Sind wir so langweilig, so säuerlich-moralisch, so einfältig und lebensmüde?" fragt etwa die Frankfurter Allgemeine Zeitung besorgt: "Und selbst, wenn wir so wären, müssen wir uns dabei auch noch zuschauen?" Fünf Millionen Zuschauer müssen. So viele TV-Süchtige sitzen im Durchschnitt jeden Sonntag vor den Fernsehern, um mit dem tragisch-banalen Schicksal der Zenkers, Zieglers, Schildknechts oder Klings mit zu fiebern. So ist die "Lindenstraße" die bisher erfolgreichste Serie der ARD.
Sollte wider Erwarten doch einmal Schluss sein, hat Geißendörfer schon einen "fantastischen Plan" für die letzten zehn Folgen in der Tasche, den er aber nicht verraten will. "Der Plan ist schon zehn Jahre alt, lässt sich aber heute noch durchführen", sagt Geißendörfer. Offenbar ist der Plan so unsterblich wie die "Lindenstraße" selbst.Stand: 08.12.05