Albrecht Ludwig Berlinger mit seiner Flugmaschine

28. Januar 1829 - Todestag des "Schneiders von Ulm"

Stand: 28.01.2019, 00:00 Uhr

Eigentlich näht Albrecht L. Berblinger den Ulmer Bürgern Hemden, Anzüge und Kleider. In seiner Freizeit erfindet er unter anderem Beinprothesen. Am liebsten aber beobachtet er den Flug der Vögel. So wie sie will er sich dereinst auch in die Lüfte erheben.

Bereits Ende des 18. Jahrhunderts ist das Menschen bei der ersten Ballonfahrt in Frankreich gelungen: Berblinger ist 13 Jahre alt, als das passiert. Aber der "Schneider von Ulm" will es wie die Vögel machen und gleitend fliegen.

Der Schneider von Ulm (Todestag 28.01.1829)

WDR 2 Stichtag 28.01.2019 04:14 Min. Verfügbar bis 25.01.2029 WDR 2


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Fasziniert von der Mechanik

Geboren wird Berblinger 1770 in Ulm. 1791 wird er Schneidermeister. Sein Interesse allerdings gilt da schon den mechanischen Bewegungsabläufen in der Natur. Seine ersten Flugversuche mit seinem Hängegleiter mit künstlichen Flügeln unternimmt er in den nahen Weinbergen. Immer wieder entwickelt er sein Fluggerät weiter, auch der württembergische König Friedrich I. unterstützt sein Vorhaben. Als sein Gönner 1811 in die Stadt kommt, hält Berblinger die Zeit für eine Vorführung gekommen.

Ursprünglich will Berblinger von einem Turm des Ulmer Münsters springen, aber ein Geistlicher rät ihm dringend ab. Deshalb wählt der "Schneider von Ulm" eine hohe Mauer an der Donau, die er durch ein weiteres Holzgerüst aufstockt. So hofft er, den nötigen "Fliegewind", wie er es nennt, zu haben. Aber der Platz ist mehr als unglücklich gewählt. Durch den Temperaturunterschied zwischen Fluss und Land bilden sich am Flugplatz statt thermischer Aufwinde Abwinde. Berblinger scheint dies bewusst zu sein. Aber der Druck des öffentlichen Auftritts ist zu groß. Schließlich kann er den Flug nicht mehr aufschieben.

Drei Sekunden bis zum sozialen Absturz

Ende Mai ist es soweit. Der König ist zwar schon abgereist, aber unter den zahlreichen Schaulustigen sind der Bruder und die Söhne des Monarchen. Statt über die Donau zu fliegen, stürzt Berblinger in die Tiefe. Nach dreisekündigem Flug samt Sturz in den Fluss, der gesundheitlich glimpflich ausgeht, ist auch sein gesellschaftlicher Abstieg besiegelt. Fast 20 Jahre lang muss er noch mit dem Hohn und Spott seiner Mitbürger leben, dann stirbt er am 28. Januar 1829 verarmt in Ulm. Ein Roman, ein Comic, mehrere Dramen und Opern überliefern sein Scheitern.

Als Flugpionier gefeiert wird heute neben den Gebrüdern Wright vor allem Otto Lilienthal, der die Funktionen des Windes beim Fliegen schon begreift. Dabei zeigt ein Nachbau von Berblingers Gleitflieger aus den 1980er Jahren: Er funktioniert. Der "Schneider von Ulm" hätte mit den richtigen Voraussetzungen triumphal über die Donau gleiten können.

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