Ist das Kunst oder kann das weg? Diese Frage stellt sich bei Gegenwartskunst immer wieder. Das hat nicht unbedingt mit Ignoranz zu tun. Oftmals will der Künstler eben diese Frage provozieren.
"Weil ja gerade bei Kunst, die viel mit Alltag zu tun hat, durchaus nicht immer erkennbar ist, ob das nun ein liegen gebliebenes Taschentuch ist oder ein Kunstwerk", sagt Kurt Eichler, Geschäftsführer der Kulturbetriebe Dortmund. "Das ist die eigentliche Kraft von Kunst", meint auch der Sammler Wilhelm Schürmann. "Ich schaue mir was an und sage: 'So ein Scheiß, was soll das?'" Auf diese Weise würden "immer wieder die eigenen Wertvorstellungen abgeglichen".
Kalk weg, Kunst weg
Martin Kippenberger aus Dortmund ist einer der ersten Künstler, die der gebürtige Dortmunder Wilhelm Schürmann konsequent sammelt. Dessen Installation "Wenn's anfängt von der Decke zu tropfen" überlässt er dem Museum Ostwall im Dortmunder U als Leihgabe. Es handelt sich um ein mannshohes Gestell aus Holzlatten, unter denen ein schwarzer Gummitrog mit einem weißlichen Kalkflecken angebracht ist. Für Sammler und Museumsleitung eindeutig ein Kunstwerk. Für eine Putzfrau leider nicht.
Normalerweise bekommt die Putzkolonne des Museum Ostwall eine klare Einweisung. Kunstwerke dürfen nicht berührt werden, für ihre Reinigung sind die Kuratoren zuständig. Am 21. Oktober 2011 aber hat die zuständige Reinigungsfachkraft Urlaub. Und ihre Vertretung beseitigt den Kalkflecken auf dem mit 800.000 Euro versicherten Kunstwerk. Damit wird das Werk de facto zerstört – so wie zuvor schon eine Badewanne und eine Fettecke von Joseph Beuys, die ebenfalls dem Putzteufel zum Opfer fielen.
Lachen und ersetzen?
Die Putzfrau hat übrigens Glück im Unglück: Zwar muss ihr Reinigungsunternehmen den Schaden zahlen. Entlassen wird sie trotzdem nicht – auch deshalb, weil nicht zweifelsfrei geklärt werden kann, ob sie tatsächlich eingewiesen wurde oder nicht. Vielleicht findet aber auch ihr Arbeitgeber, dass die Frage, ob etwas Kunst oder Schmutz sei, oft Geschmackssache ist. Und der Künstler selbst? Der war zur Zeit des Wegputzens schon 14 Jahre tot, hätte die Sache aber als Ironiker wohl mit Humor genommen.
"Ich kenne Kippenberger nicht persönlich, aber wie er mir beschrieben worden ist, hätte er wahrscheinlich herzlich darüber gelacht", sagt Kurt Eichler von den Kulturbetrieben Dortmund. Und Sammler Wilhelm Schürmann ergänzt, dass Kippenberger wohl nicht nur gelacht hätte: "Es kann auch sein, dass er einfach eine neue Schale genommen hätte."
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