Jerzy Popieluszko (rechts) mit dem Gewerkschaftsführer Lech Walesa (links)1984 in Danzig

19. Oktober 1984 - Priester Jerzy Popiełuszko wird entführt

Stand: 19.10.2019, 00:00 Uhr

"Seid ohne Furcht", hat der polnische Papst Johannes Paul II. seinen Landsleuten zugerufen – und Jerzy Popiełuszko nimmt all seinen Mut zusammen.

Ab 1980 setzt sich der schmächtige junge Priester für die Gewerkschaft Solidarność ein. "Wir Arbeiter, wir einfachen Leute in deinem Tempel mit unserer Fahne, segne, oh Herr, die Solidarność, segne, oh Herr, dein treues Volk", predigt er zu streikenden Arbeitern in der Fabrik.

Jerzy Popieluszko, polnischer Priester (Todestag 19.10.1984)

WDR 2 Stichtag 19.10.2019 04:17 Min. Verfügbar bis 16.10.2029 WDR 2


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Jerzy Popiełuszko wird der wichtigste Pfarrer der Solidarność, die Mitte des Jahres 1981 als erste Gewerkschaft in einem sozialistischen Land zugelassen wird. Zehn Millionen Arbeiter treten ihr bei.

Popiełuszko weiß, dass sein Leben bedroht ist

Doch die Solidarność wird wieder verboten, als Staatschef Wojciech Jaruzelski auf Druck der Sowjets das Kriegsrecht im Land verhängt. Die Grundrechte werden außer Kraft gesetzt, Oppositionelle mit Gewalt verfolgt.

Aus allen Landesteilen suchen die Menschen Trost in Popiełuszkos regierungskritischen "Messen für das Vaterland" in der Kirche St. Stanisław Kostka in Warschau. "Am Kreuz blutet unser Vaterland. In unserem Land werden die Rechte missachtet. Denn in Lagern und Gefängnissen sind tausende eingesperrt", sagt er im Gottesdienst.

"Für uns ist jede Messe von Pater Popiełuszko wie eine verlorene Schlacht", erkennt die polnische Staatssicherheit. Es kommt zu seltsamen Vorfällen: Unbekannte versuchen Popiełuszko zu überfahren. Ein mit Sprengstoff umwickelter Ziegelstein schlägt im Fenster ein.

Sein Fahrer Waldemar Chrostowski erinnert sich: "Er hatte Angst vor dem Tod. Aber er nahm mit Demut das an, was Jesus Christus für ihn vorgesehen hat."

Papst Benedikt spricht Popiełuszko selig

Das Grab des oppositionellen Pfarrers Jerzy Popieluszko im Februar 1985

Das Grab des oppositionellen Pfarrers im Februar 1985

Am 19. Oktober 1984 wird er schließlich entführt. Popiełuszkos Anhängerin Joanna erinnert sich: "Wir sind alle zur Kirche St. Stanisław Kostka gegangen, wo schon jede Menge Leute waren. Und dann sind wir nicht mehr von dort weggegangen."

Polen ist einem Aufstand nah, das Regime muss handeln. Es lässt die Entführer festnehmen, Männer des Staatssicherheitsdienstes.

Elf Tage nach der Entführung wird Popiełuszkos gefolterter, gefesselter Körper aus dem Stausee der Weichsel geborgen.

Zur Beisetzung kommen mehr als eine halbe Million Menschen. Schon im Frühjahr 1985 werden die Mörder zu langen Haftstrafen verurteilt.

"Aber wer ist für das Verbrechen wirklich verantwortlich? Zweifellos steckte der Parteiapparat dahinter, der den Geheimdienst kontrollierte", sagt der Historiker Jan Żaryn.

Papst Benedikt XVI. spricht Jerzy Popiełuszko 2010 als Märtyrer selig.

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