Die Österreicher wagen es zuerst: Am 1. Oktober 1869 bringen sie die Correspondenz-Karte in Umlauf, die Alternative zum verschlossenen Brief. Weil diese Karte offen verschickt wird, bangen viele Menschen um das Briefgeheimnis. "Sie befürchteten, dass man Beleidigungen mitteilen könnte oder dass die Dienerschaft die Texte der Herrschaft mitlesen würde", sagt Veit Didczuneit vom Museum für Kommunikation in Berlin.
Correspondenz-Karte aus Österreich
Doch allein in den ersten drei Monaten verkauft sich die schnelle und unkomplizierte Correspondenz-Karte mehr als drei Millionen Mal – und wird kurze Zeit später auch in Deutschland beliebt. "Es gibt Belege, dass sich in Karlsruhe zum Beispiel Liebespaare tageszeitbezogene Grüße geschickt haben: Eine Guten-Morgen-Karte, eine Guten-Tag-Karte, eine Guten-Abend-Karte und eine Gute-Nacht-Karte. Das war möglich, weil die Post dort vier Mal am Tag kam und die Karten zugestellt werden konnten. In Berlin war die Zustellung bis zu elf Mal verbürgt", erzählt Veit Didczuneit.
Mehr Bild oder mehr Text?
Auf der Vorderseite steht anfangs nur die Adresse, die Rückseite ist für die Mitteilung reserviert. Doch schon bald werden die Karten mit immer größeren Bildern verziert. "Bis es dann zu einem Widerspruch zwischen Mitteilungsbedürfnis und Bildbotschaft kam", sagt Didczuneit. 1905 wird die Postkarte konzipiert, wie wir sie heute kennen: Rechts auf der Vorderseite steht die Adresse, links die Botschaft, auf der Rückseite ist ein vollflächiges Bild abgedruckt.
Ein regelrechter Wahn rund um die Postkarte beginnt. Ein Bergführer in der Schweiz berichtete Anfang des 20. Jahrhunderts: "Unmittelbar, nachdem wir den Gipfel erklommen hatten, rannte jeder zum nahe gelegenen Hotel und balgte sich um Postkarten. Fünf Minuten später schrieb jeder, als ging es ums liebe Leben. Ich gewann den Eindruck, dass diese ganze Gesellschaft nicht um der Erfahrung willen den Berg erstiegen hatte, sondern um eine Postkarte loszuwerden."
Die Postkarte wird überleben
In den letzten 20 Jahren hat sich die Zahl der beförderten Postkarten jedoch mehr als halbiert. Denn mit den digitalen Nachrichten kommen die eigene Bilder ohne Verzögerung an. Veit Didczuneit vom Museum für Kommunikation glaubt dennoch, dass die Ansichtskarte überleben wird. "Einen handgeschriebenen Brief zu erhalten, ist ein großes Geschenk. Bekomme ich eine Postkarte, ist es ein kleines Geschenk. Und bekanntlich erhalten kleine Geschenke die Freundschaft und stärken die Gemeinschaft."
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