Hans-Jürgen Diedrich (unten l.), Dieter Hildebrandt (unten re.), Ursula Herking, Klaus Havenstein

12. Dezember 1956 - Eröffnung der Münchner Lach- und Schießgesellschaft

Stand: 12.12.2016, 00:00 Uhr

Dieter Hildebrandt ist ein Kabarettist vom alten Schlag. Mit einer ebenso moralischen wie politischen Einstellung will er die piefige Bundesrepublik in ihren Grundfesten erschüttern. Mehr noch: "Ich wollte die Welt natürlich verändern", wird er sich später erinnern. "Den Bundeskanzler stürzen, sämtliche Minister, die ich nicht mochte."

Um seinen Plan zu verwirklichen, spielt Hildebrandt schon während seines Studiums  an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität bei der Truppe "Die Seminarren" mit. 1955 gründet er mit dem Texter Klaus-Peter Schreiner und anderen Kommilitonen "Die Namenlosen", die es ein Jahr später sogar ins Fernsehen schaffen. Aber der richtige Kracher ist das noch nicht.

Erfolg dank Fernsehen

Das ändert sich, als Hildebrandt und Schreiner den Sportreporter und Tausendsassa Sammy Drechsel kennenlernen und in dessen Promi-Fußballmannschaft "FC Schmiere" mitspielen dürfen. Irgendwann sei Hildebrandt auf ihn zugekommen und habe ihn gefragt, ob er nicht einmal bei den "Namenlosen" Regie führen könne, sagt Drechsel 1967 in einem Interview. "Da haben Hildebrandt und ich den Entschluss gefasst: Jetzt machen wir nochmal was ganz Neues."

Das "ganz Neue" ist die Münchner Lach- und Schießgesellschaft. Am 12. Dezember 1956 hat sie in einem kleinen Schwabinger Lokal in der Ursulastraße Premiere. Hildebrandt und Schreiner sind dabei, aber auch Stars der lokalen Szene wie Hans-Jürgen Diedrich, Ursula Herking oder Klaus Havenstein, zu denen Drechsel den Kontakt herstellt. Ihm verdankt es die Truppe auch, dass die immer wieder gern verspotteten Massenmedien der Lach- und Schießgesellschaft ein Forum bieten. Von Anfang an wird das Programm im Fernsehen und im Rundfunk übertragen.

Väter der Satire und Klamotte

"Ohne die Präsenz in der Glotze hätten wir uns einen Wolf spielen können, und in Augsburg hätte uns keine Sau gekannt, das ist klar", sagt Hans-Jürgen Diedrich. So aber wird die Münchner Lach- und Schießgesellschaft mit ihrem Lieblingsthema - den vielen alten Nazis in den Schlüsselpositionen der Republik - im ganzen Land bekannt. Nicht zuletzt deshalb, weil neben der ganzen Kritik am politischen Establishment auch die Unterhaltung nicht zu kurz kommt. "Meine Klamotte lass ich mir nicht nehmen", insistiert Dieter Hildebrandt.

Anfang der 60er Jahre hat die Münchner Lach- und Schießgesellschaft Einschaltquoten von 70 Prozent. 96 Prozent der Bundesbürger finden ihre Form des Kabaretts gut. Vor allem die Jahresabrechnung "Schimpf vor zwölf" an Silvester wird zum Straßenfeger. Politiker nutzen die Chance, sich im Fernsehen als humorvoll zu präsentieren, indem sie sich bei den Übertragungen über Witze auf ihre Kosten lachend und applaudierend im Publikum zeigen. Drechsel sorgt dafür, dass die Kamera sie erfasst.

Ihrer politischen Ausrichtung nach ist die Münchner Lach- und Schießgesellschaft eindeutig links orientiert. Mit dem Amtsantritt Willy Brandts (SPD) 1969 verliert ihr Witz deshalb seinen Biss. Drei Jahre später gibt die Truppe ihre Abschiedsvorstellung. Ausgerechnet damit sorgt sie nochmals für Furore: Der Bayerische Rundfunk verhindert die Ausstrahlung des Programms "Der Abfall Bayerns" in der ARD.

Hildebrandt macht äußerst erfolgreich als Solo-Kabarettist weiter, unter anderem mit der TV-Sendung "Scheibenwischer", ebenfalls unter der Regie Sammy Drechsels. Als sich die Münchner Lach- und Schießgesellschaft 1976 neu formiert, arbeitet er nurmehr beratend mit.

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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 12. Dezember 2016 ebenfalls an die Gründung der Münchner Lach- und Schießgesellschaft. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.

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