9. April 1939 - Marian Anderson singt am Lincoln Memorial

Stand: 09.04.2019, 00:00 Uhr

Washington, Ostersonntag 1939: Es ist kalt, als Marian Anderson in einem langen Pelzmantel die Stufen vor dem Lincoln Memorial betritt. Sie hält inne, schließt die Augen und singt "My Country, 'Tis of Thee".

Es ist ein Lied zu Ehren der USA, dem "süßen Land der Freiheit". Viele US-Amerikaner kennen den Text auswendig. Deshalb merkt das Publikum an jenem 9. April 1939 sofort, dass Anderson ein Wort geändert hat.

Marion Anderson singt am Lincoln Memorial (am 09.04.1939) WDR 2 Stichtag 09.04.2019 04:16 Min. Verfügbar bis 06.04.2029 WDR 2

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Rassistischer Skandal

"Eigentlich heißt es: 'von dir singe ich'. Aber sie machte daraus: 'von dir singen wir'", erklärt Anderson-Biograf Allan Keiler. Das Wir ist eine symbolische Umarmung der 75.000 Zuhörer vor Ort und der Millionen an den Radiogeräten.

"Marian Anderson singt heute am Lincoln Memorial, weil kein Auditorium groß genug für ihr riesiges Publikum ist", lautet die Ansage eines NBC-Moderators zu Beginn der Konzertübertragung. Über den rassistischen Skandal ein paar Monate zuvor verliert er kein Wort.

Von Frauen diskriminiert

Anderson hatte durchaus in einem Konzertsaal auftreten wollen, in der Constitutional Hall. Sie gehört den "Daughters of the American Revolution", einer konservativen Frauenvereinigung. Doch ihr wurde nicht erlaubt, die Halle zu buchen. "Es gab eine Klausel, dass dort nur weiße Künstler auftreten durften", sagt Anderson-Biograf Keiler.

Hilfe von der First Lady

Als First Lady Eleanor Roosevelt vom Auftrittsverbot erfährt, gibt sie ihre Mitgliedschaft in der Frauenvereinigung auf - und regt eine Alternative an. US-Innenminister Harold Ickes organisiert gemeinsam mit Bürgerrechtsaktivisten den Anderson-Auftritt vor dem Denkmal Abraham Lincolns - jenem Präsidenten, der die Sklaven befreit hat. Sie ist die erste Schwarze, die dort singt.

Toscanini lobt Stimme

Die 1897 in Philadelphia geborene Anderson ist damals längst weltbekannt. Anfang der 1930 Jahre war sie auf Europa-Tournee. Nach ihrem Auftritt bei den Salzburger Festspielen 1935 schwärmte Dirigent Arturo Toscanini von ihrer Stimme als Jahrhundertbegabung.

Zurück in den USA wird sie zwar umjubelt - aber auch mit Rassismus konfrontiert: Bei ihren Konzerten dürfen schwarze Zuhörer nicht neben weißen sitzen.

Einzigartige Karriere

Wenige Monate nach ihrem Lincoln-Memorial-Konzert singt sie im Weißen Haus beim Besuch des britischen Königspaars, 1955 als erste Afroamerikanerin in der New Yorker Metropolitan Opera und 1961 bei der Amtseinführung von Präsident John F. Kennedy.

Nach einer einzigartigen Karriere zieht sich Anderson 1965 mit 68 Jahren auf eine Farm in Minnesota zurück.

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