Das biedere München ist entsetzt. Über die Straßen der Residenzstadt stolziert eine Frau im eng geschnürten Samtkleid, die von einem riesigen Hund begleitet wird, herrisch mit ihrer Reitgerte herumfuchtelt und es wagt, in aller Öffentlichkeit zu rauchen! Dabei ist rauchen auf der Straße in München selbst für Männer bei Strafe verboten.
Aber Lola Montez, wie die Dame sich nennt, hat ein aufmüpfiges Wesen. Sie schert sich nicht um Gesetze und Regeln. Schlimmer noch: Sie muss es auch gar nicht. Denn Lola Montez genießt den persönlichen Schutz von Bayerns König Ludwig I. Der 60-Jährige bedichtet sie wie ein verliebter Teenager: "Süße Düfte streut die Linde / in dem schönen Brückenau. / Unter Zweigen, die sich neigen, / wallt die allerschönste Frau. / Lola Montez, der im Herzen / brennt des Südens Leidenschaft, / mit den Trieben, die im Lieben / und im Hassen gleich an Kraft."
Die irische Spanierin
Geboren wird Montez am 17. Februar 1821: keineswegs "im Süden", wie der König mutmaßt, sondern unter dem Namen Elizabeth Rosanna Gilbert im irischen Provinzstädtchen Grange. Nach ihrer Geburt nehmen ihre Eltern sie mit nach Indien, wo sie recht ungezwungen groß wird. Als sie ihre Mutter mit einem 60-jährigen Richter verheiraten will, brennt die 16-Jährige mit ihrem Geliebten durch, den sie aber auch bald wieder verlässt. 1842 geht Montez nach London zurück, wo sie Spanisch und Tanzen lernt. Nicht sonderlich talentiert, wird sie aufgrund ihrer Schönheit aber selbst vom umschwärmtesten Mann seiner Zeit, dem Komponisten Franz Liszt, verehrt.
Nicht nur ihrem Geliebten Liszt macht Montez offenbar das Leben schwer: In Warschau beschimpft sie einen Theaterdirektor von der Bühne herab, im Kursaal von Baden-Baden fuchtelt sie mit einem Dolch herum, den sie aus ihrem Strumpfband zieht, in Berlin peitscht sie einen Polizisten. Durch derart feurige Aktionen mutiert die irische Spanierin zur bekanntesten Femme Fatale Europas. Das hilft ihr auch, als sie 1846 nach München übersiedelt und, im Nobelhotel "Bayerischer Hof" residierend, am Hoftheater eine Abfuhr bekommt: Ludwig I. persönlich zwingt den Theaterdirektor, Montez auftreten zu lassen. Ob sie bei der Audienz ihr Mieder mit einem Brieföffner aufschneidet, um den König zu überzeugen, ist vielleicht nur ein Gerücht.
Geschmäht von Bürgerschaft und Adel
Schon drei Tage nach der Audienz hoppelt Montez über die Bühne – nach Meinung eines Kritikers wie ein Känguru. Überhaupt macht sich die Tänzerin, die der König für seine berühmte "Schönheitengalerie" in Schloss Nymphenburg malen lässt, unter den Münchnern zunehmend unbeliebt. Von Ludwig bekommt sie eine prunkvolle Residenz in bester Lage, Kutsche und Diener inklusive, aber der Adel weigert sich beharrlich, die maßlose Mätresse zu empfangen. Als der König vom Staatsrat verlangt, Montez das Heimatrecht in München zu gewähren, treten die Minister geschlossen zurück. Ludwig I. ist gezwungen, ein liberales "Kabinett der Morgenröte" einzusetzen. Damit besiegelt er sein eigenes Ende.
1847 ernennt Ludwig I. seine Geliebte zur Gräfin von Landsberg. Die hält sich Studenten als Leibgarde, was offenbar bitter nötig ist, und revanchiert sich mit ausgelassenen Partys. Als der König ein Jahr später nach blutigen Unruhen die Universität schließen lässt, eskaliert die Situation auch für Montez: Zähneknirschend muss Ludwig I. nicht nur die akademischen Hallen wieder öffnen lassen, sondern auch seine Mätresse der Stadt verweisen - und abdanken. Montez kehrt nach London zurück und führt ihr unstetes Leben fort. Sie heiratet zwei- oder dreimal und feiert schließlich mit ihrer autobiografischen Revue "Lola Montez in Bavaria" in den 1850er Jahren am Broadway Erfolge. Kurz vor ihrem 40. Geburtstag stirbt sie 1861 an den Folgen einer Lungenentzündung in New York.
Stand: 17.02.2016
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