Gedenkplakette von Jacques Schiesser an Firmengebäude in Radolfzell

20. Februar 1848 - Wäschefabrikant Jacques Schiesser wird geboren

Stand: 20.02.2018, 00:00 Uhr

Unterhosen sind im frühen 19. Jahrhundert allenfalls ein extravagantes Accessoire des Adels. Das Volk trägt unter Rock und Hose meist nichts zur Bedeckung der Blöße. Als Unterkleidung dient ein langes Leinenhemd, das im Schritt trickreich gefaltet oder zur Hemdhose zusammengenäht wird.

Hygienisch lässt diese Unterkleidung arg zu wünschen übrig, von lästigem Scheuern ganz abgesehen. Bald entbrennt eine Diskussion darüber, welcher Stoff am besten Schweiß absorbieren kann. Die einen favorisieren Wolle, andere dagegen Baumwolle. Zu Letzteren zählt der am 20. Februar 1848 geborene Wäschefabrikant Jacques Schiesser.

Jacques Schiesser, Wäschefabrikant (Geburtstag 20.02.1848)

WDR 2 Stichtag 20.02.2018 04:15 Min. Verfügbar bis 18.02.2028 WDR 2


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Rasanter Aufstieg mit "Abhärtungswäsche"

In seiner Schweizer Heimat Linthal betreibt Schiesser eine Buntweberei. Um die Vorteile der Zollunion im Deutschen Reich zu nutzen, zieht er 1875 nach Radolfzell am Bodensee. In einem gemieteten Tanzsaal beginnt er, auf Rundstrickstühlen Unterwäsche mit dehnbaren Maschen herzustellen.

Historische Karton mit Schiesser-Unterwäsche

Historische Karton mit Schiesser-Unterwäsche

Bereits im Jahr darauf errichtet Schiesser eine kleine Fabrik in Radolfzell. Bald beschäftigt er hundert Mitarbeiter; das Werk wird ausgebaut und drei Filialen, unter anderem in Bukarest, gegründet. Um 1900 stehen weit über tausend Beschäftigte bei Schiesser in Lohn und Brot, die pro Tag rund 12.000 Wäschestücke produzieren.

Schiessers kurze und lange Unterhosen, Nachthemden und Unterröcke aus indischer Nesselfaser werden mit Auszeichnungen überhäuft. Bei der Weltausstellung in Paris verleiht man ihm den "Grand Prix". Seine sogenannte "Abhärtungswäsche" gilt als sehr hygienisch, da sie gut waschbar und luftdurchlässig ist. Auch die Soldaten des Kaiserreichs tragen sie unter ihren Uniformen.

Die Geburtsstunde des Feinripp

Rund 80 Prozent seiner Ware exportiert Schiesser ins Ausland, bis nach Afrika und Asien. "Schiesser sitzt wie eine zweite Haut", rühmt die Reklame. Doch auf dem Höhepunkt des Erfolgs verliert der größte Trikotagen-Hersteller im Deutschen Reich seinen Patriarchen.

Am 18. August 1913 stirbt Jacques Schiesser an Herzversagen. Sein Neffe Jean übernimmt die Firma und wandelt sie in eine Aktiengesellschaft um. Unter seiner Ägide schlägt 1923 die Geburtsstunde der bis heute bekanntesten Schiesser-Produkte: Feinripp-Unterwäsche aus Baumwolle.

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