Großer Saal des Auswärtigen Amtes in Bonn, 1958

13. März 1951 - Wiedererrichtung des Auswärtigen Amtes

Stand: 13.03.2016, 00:00 Uhr

Vom Nürnberger Kriegsverbrecher-Tribunal in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen, stirbt Nazi-Außenminister Joachim von Ribbentrop 1946 am Galgen. Im folgenden Wilhelmstraßen-Prozess, benannt nach dem Berliner Sitz des Ministeriums, verurteilen die Alliierten sieben weitere Spitzendiplomaten des Auswärtigen Amtes im April 1949 zu teils langen Haftstrafen.

Fünf Monate später stellt Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) die erste Regierung der neuen Bundesrepublik vor. Ein Außenminister fehlt im Kabinett, denn noch behalten die Alliierten die Kontrolle über die deutsche Außenpolitik. Erst nachdem sich Adenauer uneingeschränkt zur West-Bindung bekannt hat, darf im Juni 1950 eine "Dienststelle für Auswärtige Angelegenheiten im Bundeskanzleramt" eingerichtet werden. An die Spitze beruft Adenauer den nicht unter NS-Verdacht stehenden Juristen Walter Hallstein.

Keine Vorbehalte gegen "Wilhelmsträßler"

Adenauer wählt nicht ohne Grund den unbelasteten Seiteneinsteiger Hallstein. Laut den Ermittlungen eines vom SPD-Parlamentarier Carlo Schmid eingesetzten Untersuchungsausschusses haben 55 der 96 neuen Bonner Diplomaten dem alten Außenamt angehört und waren Mitglied der NSDAP. "Ich bin doch bei Gott nicht der Mann, der darauf ausgeht, frühere Parteigenossen in maßgebende Stellungen zu bringen", wehrt sich Adenauer im Bundestag. Was ihn nicht daran hindert, Hans Globke, den Kommentator der berüchtigten Nürnberger Rassegesetze, zum Chef des Kanzleramtes und damit zu seinem engsten Vertrauten zu machen.

Seit Gründung der DDR haben die Westmächte weniger Angst vor Alt-Nazis in leitenden Funktionen als vor einem Vordringen des Kommunismus in Europa. Der Kalte Krieg hat begonnen und die Bundesrepublik wird als stabiler Bündnispartner gebraucht. Deshalb lockern die Alliierten das Besatzungsstatut und erlauben am 13. März 1951 unter Auflagen die Wiedererrichtung eines Auswärtigen Amtes (AA). Gegen die Einstellung alter "Wilhelmsträßler" bestehen nunmehr keine Einwände, denn erfahrene Diplomaten ohne NS-Vita sind rar. Adenauer, in Personalunion nun auch Außenminister, zeigt sich zwar "nicht gerade glücklich über die Zusammensetzung des Auswärtigen Amtes". Ein rheinisches Sprichwort aber besage: "Man schüttet kein dreckiges Wasser aus, wenn man kein sauberes hat."

Aufarbeitung der braunen Vergangenheit

Nach der Erlangung der formellen Souveränität 1955 übergibt Adenauer das Auswärtige Amt an seinen CDU-Gefolgsmann Heinrich von Brentano. Dessen Handlungsspielraum bleibt aber durch eine Doktrin des AA-Staatssekretärs Hallstein eng begrenzt: Außer zur UdSSR darf die Bundesrepublik keine diplomatischen Beziehungen zu Ländern aufnehmen, die die "Sowjetzone" als zweiten deutschen Staat anerkennen. Erst Willy Brandt, von 1966 bis 1969 Außenminister, gibt die Hallstein-Doktrin auf und leitet als Kanzler 1969 mit den Verträgen von Moskau und Warschau sowie dem DDR-Grundlagen-Vertrag die Ost-Politik ein. Dass noch immer hunderte ehemalige Wilhelmstraßen-Diplomaten im Dienst sind, muss der SPD-Kanzler trotz seines Anspruchs, "mehr Demokratie zu wagen", hinnehmen.

Jahrzehnte lang verhindert der Korpsgeist im AA eine Aufarbeitung der eigenen braunen Vergangenheit. Selbst belastete Diplomaten erhalten nach ihrem Tod einen Nachruf, der ihre Nazi-Verstrickung verschweigt. Erst das schöngefärbte Gedenken an den AA-Mitarbeiter Franz Nüßlein, der 1948 in der CSSR als Kriegsverbrecher zu 20 Jahren Haft verurteilt worden war, veranlasst 2003 den grünen Außenminister Joschka Fischer zum Handeln. Er untersagt Nachrufe auf Ex-NSDAP-Mitglieder und lässt die NS-Verstrickung seines Amtes durchleuchten. 2010 kommt eine unabhängige Historikerkommission in einer viel diskutierten Arbeit zu dem Ergebnis: Das nationalsozialistische AA war nicht, wie oft behauptet, ein Hort des Widerstands, sondern tief in den Massenmord an den Juden verstrickt. Und auch im Auswärtigen Amt der Bundesrepublik hielten ehemalige "Wilhelmsträßler" ihre schützende Hand über Kriegsverbrecher – auch in den eigenen Reihen.

Stand: 13.03.2016

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