Deutsche Kolonialgesellschaft gegründet

Stichtag

19. Dezember 1887 - Deutsche Kolonialgesellschaft gegründet

Stand: 19.12.2012, 00:00 Uhr

Der alte Kolonial-Gouverneur fühlt sich 1933 wieder stark. Seit der Niederlage im Ersten Weltkrieg trauert Heinrich Schnee, Präsident der Deutschen Kolonialgesellschaft, den verlorenen Gebieten in Afrika, China und der Südsee hinterher. Adolf Hitler will die Kolonien zurückgewinnen. "England braucht Kolonien und Frankreich braucht Kolonien ... Belgien braucht Kolonien und die Niederlande … aber Deutschland nein? Auch Deutschland benötigt sie und wird sie auch bekommen!", sagt Hitler 1937 in einer Rede vor Gauamtsleitern.

Propaganda zur "Förderung des kolonialen Gedankens"

Viele Deutsche befürworten die Kolonialpolitik bereits seit der Kaiserzeit. Zwei Organisationen schließen sich am 19. Dezember 1887 zur Deutschen Kolonialgesellschaft zusammen, mit dem Ziel der "Förderung des kolonialen Gedankens". Der Berliner Historiker Sebastian Conrad, der ein Buch zur deutschen Kolonialgeschichte geschrieben hat, sagt: "Im Wesentlichen war dieser Verein eine Art von Propagandainstrument."

Die Gesellschaft versorgt Schüler mit dem Kleinen Deutschen Kolonialatlas, verbreitet die Deutsche Kolonialzeitung, organisiert Dia-Vorführungen und Ausstellungen. Beliebt beim Publikum sind Völkerschauen in Zoos, bei denen afrikanische Stämme ihr vermeintliches Alltagsleben vorführen. 1914 hat die einflussreiche Organisation 42.000 Mitglieder, darunter viele Bildungsbürger und Geografen. Von 1931 bis 1933 hat sogar der spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer die Stelle des geschäftsführenden Vizepräsidenten inne. Eine der prägendsten Führungspersonen der Gesellschaft ist bis zu seinem Tod 1918 der rassistische Politiker und Afrikaforscher Carl Peters. 1884 hatte er die Gründung der Kolonie Deutsch-Ostafrika vorbereitet.

Das Regime des Hängepeters

"Noch muss der Neger dazu gebracht werden, ein wirklich nützliches Glied der arbeitenden Menschheit zu werden. Doch ohne einen gewissen Erziehungszwang wird dies sicherlich nicht erreicht werden können", schreibt Peters von dort. Erziehungszwang, das sind regelmäßige Hinrichtungen. Hängepeters wird er bald genannt und die Einheimischen rebellieren gegen die brutale Besetzung. Deutsches Militär muss eingeschifft werden, und das Kaiserreich muss diesen Einsatz teuer bezahlen.

Siedler wollen in die USA, nicht nach Deutsch-Südwestafrika

"Die allermeisten Kolonien waren aus Sicht des Deutschen Reichs Zuschussgeschäfte", erklärt Historiker Sebastian Conrad. Der Anteil am Außenhandel ist mit nur zwei Prozent sehr gering. Die Deutschen treiben mehr Handel mit Südafrika und Ägypten als mit den eigenen Kolonien. Auch die Vorstellung, die Kolonialländer könnten Millionen deutscher Siedler anlocken, bestätigt sich nicht. "Am Vorabend des Ersten Weltkriegs lebten in allen deutschen Kolonien zusammen weniger als 25.000 Deutsche", erklärt Conrad. Zum Vergleich: Ab 1880 hatten knapp 1,8 Millionen Menschen das Deutsche Reich verlassen, die meisten in Richtung der Vereinigten Staaten.

Trotz ihrer politischen und wirtschaftlichen Bedeutungslosigkeit haben die Kolonien großen Einfluss auf das Mutterland, wie Historiker heute betonen. "Die Vorstellung, Deutschland brauche einen Platz an der Sonne und am deutschen Wesen solle die Welt genesen, wurde von breiten Schichten geteilt", so der Historiker Conrad.

Aufgelöst wegen "kriegsunwichtiger Tätigkeit"

Bereits nach knapp vier Jahrzehnten ist die deutsche Besetzung in Afrika, China und der Südsee beendet: Mit dem Ersten Weltkrieg verliert das Deutsche Reich all seine Kolonien. Mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten glaubt Heinrich Schnee, 1933 Präsident der Deutschen Kolonialgesellschaft, wieder an die alten Zeiten anknüpfen zu können. Er irrt. Die Organisation wird zum Reichskolonialbund gleichgeschaltet und während des Kriegs aufgelöst, wegen "kriegsunwichtiger Tätigkeit". In Wirklichkeit hielt Adolf Hitler nichts von Kolonien, zumindest nicht in Afrika. Er wollte sein Imperium in Europa aufbauen und Lebensraum im Osten schaffen.

Stand: 19.12.2012

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