e-dis-e-dis-e: Zwei Halbtöne im Wechsel, die kleine Nachwuchspianisten seit Generationen lieben. Die meisten verdanken dem eingängigen Wohlklang in a-Moll ihr erstes musikalisches Erfolgserlebnis am Piano. Selbst fünfjährige Klavierschüler intonieren schon fehlerfrei "Für Elise", dieses leichtgewichtige Rondo mit seinem effektvollen Wechsel aus lauten und leisen, schnellen und langsamen Passagen.
Ludwig van Beethovens Klavierstück WoO 59 (Werk ohne Opuszahl) dürfte neben dem Flohwalzer und Mozarts "Kleine Nachtmusik" die meist geklimperte Melodie der Welt sein. Doch so schlicht die Komposition, so mysteriös ist ihre Geschichte. Bis heute streiten Musikwissenschaftler darüber, wer jene Elise war, der Beethoven einst seinen titellosen Evergreen widmete.
Therese statt Elise?
"Für Elise am 27. April zur Erinnerung an L. v. Bthvn." soll Beethoven auf seinem Albumblatt vermerkt haben. Einen Beweis gibt es nicht, denn das Original wurde nie gefunden. Selbst das überlieferte Entstehungsjahr 1810 lässt sich nur aus einem im Bonner Beethovenhaus erhaltenen Skizzenblatt erschließen. Erst 40 Jahre nach des Meisters Tod erfährt die Musikwelt überhaupt von der Existenz der "Für Elise" gewidmeten Komposition. Ludwig Nohl, ein Musikforscher aus Iserlohn, veröffentlicht sie 1867 und schreibt dazu: "Das nachstehende bisher unbekannte, zwar nicht eben bedeutende, aber recht anmuthige Klavierstückchen stammt aus dem Nachlass der Frau Therese von Droßdick geb. Malfatti…".
Dank Nohls Angaben gilt jene Therese Malfatti lange als Adressatin der rätselhaften Widmung – obwohl auch der Autor nicht beantworten kann, warum Beethoven dann nicht "Für Therese" geschrieben hat. Spätere Forscher gehen davon aus, dass Nohl die bekanntermaßen krakelige Handschrift Beethovens schlicht falsch entziffert und transkribiert hat. Denn abgesehen von ihrem Vornamen passt die braun gelockte Therese Malfatti genau ins Bild. 1810 machte Beethoven der 19-jährigen Bankierstochter aus Wien einen Heiratsantrag, doch wie so oft in seinem Leben, er bekam einen Korb.
Geklaut aus Beethovens Skizzen?
Den Italiener Luca Chiantore stellt die Erklärung nicht zufrieden. Problematisch findet der Musikwissenschaftler bereits, "dass Nohl den in Bonn aufbewahrten Skizzen eine bestimmte Form gegeben hat." Daraus entwickelt Chiantore die These, Nohl habe selbst ein wenig Beethoven gespielt, sich aus dem Skizzenmaterial bedient und sein Machwerk unter dem großen Namen veröffentlicht. 2010 meldet sich Chiantores Berliner Kollege Klaus Martin Kopitz zu Wort und behauptet, endlich die echte Elise entdeckt zu haben. Die junge Sopranistin Elisabeth Röckl, Schwester eines mit Beethoven bekannten Sängers, soll die Herzdame des Komponisten gewesen sein. Bei einer Soiree 1810 habe Ludwig mit ihr getändelt, erzählte die Sängerin später.
Das Fräulein Röckl scheide als Widmungskandidatin aus, belegt dagegen der Musikwissenschaftler Michael Lorenz in seinem Buch "Die enttarnte Elise. Elisabeth Röckls kurze Karriere als Beethovens 'Elise'". Er glaubt, im Hause von Therese Malfattis Freund Rudolph Schachner die Gesuchte gefunden zu haben. Schachners Ehefrau und Tochter hießen beide Elise. Ganz falsch, meint wiederum der Niederländer Jan Caeyers. In seiner jüngst veröffentlichten Beethoven-Biografie macht er sich erneut für Nohls Favoritin Therese Malfatti stark. Es spricht also manches dafür: Das letzte Kapitel im Krimi um Beethovens Elise ist längst noch nicht geschrieben.
Stand: 27.04.2015
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 27. April 2015 ebenfalls an Beethovens "Für Elise". Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.