Schalkes Trainer Thomas Reis wurde entlassen.

Schalke 04: Gefangen in seinen Ritualen

Stand: 27.09.2023, 18:17 Uhr

Der FC Schalke 04 will nach der Entlassung von Trainer Thomas Reis einen neuen Weg gehen. Dabei wandelt der Klub auf altbekannten Pfaden - und wirkt gefangen in sich selbst.

Von Jörg Strohschein

Der Blick war ernst, der schwierigen Lage angemessen. "Deshalb haben wir uns entschieden, einen neuen Weg zu gehen", sagte André Hechelmann am Mittwoch (27.09.2023). Schalkes Sportdirektor meinte damit die Freistellung von Trainer Thomas Reis.

Aber für alle, die den Klub schon länger beobachten, erschien diese Entscheidung der Verantwortlichen eher wie das sich stets wiederholende und eingeübte Krisenszenario des Ruhrgebietsklubs.

Schalke entlässt Trainer Reis

Sport 27.09.2023 00:33 Min. Verfügbar bis 27.09.2024 WDR


Nach nur gut einem Jahr ist auch die Mission von Thomas Reis bei den Königsblauen wieder beendet. Dabei waren sich alle - Fans und sportliche Leitung - bei dessen Verpflichtung und vor allem nach der Entwicklung des Teams in der vergangenen Bundesliga-Rückrunde darüber einig, dass sich Reis mit seiner zupackenden Art genau an der richtigen Stelle befindet - und dem S04 möglichst lange erhalten bleiben soll.

Nach einer geradezu atemberaubenden Aufholjagd hatten der Trainer und seine Spieler fast noch den Klassenerhalt geschafft. Die Zufriedenheit mit Reis war allgegenwärtig. Nun also die Kehrtwende.

Plötzliche Dünnhäutigkeit

"Wir mussten feststellen, dass die Situation inhaltlich aber auch menschlich festgefahren ist", sagte Sportvorstand Peter Knäbel. Reis hatte die Mannschaft gegen sich aufgebracht, weil seine Taktik, die Gegner dauerhaft in Manndeckung zu bearbeiten, auf immer größeres Missfallen bei den Spielern gestoßen ist.

Verteidiger Timo Baumgartl hatte nach der jüngsten 1:3-Pleite beim FC St. Pauli nur das öffentlich benannt, was schon länger unter der Oberfläche brodelte. "Das ist die Philosophie des Trainers, er gibt uns das vor. Deshalb machen wir das auch als Mannschaft. Aber klar ist, wenn man die ersten 30 Minuten sieht, dass es brutal schwer ist, wenn es der Gegner gut macht. Hinten immer wieder eins gegen eins zu stehen, ist dann eben risikobehaftet", sagte der 27-Jährige unter anderem vor laufenden Kameras.

Das Team war genervt von Reis und dessen taktischer Herangehensweise. Der Trainer womöglich von seinen Spielern, ganz sicher aber vom Umfeld, das er vor ein paar Wochen bereits als das "alte Schalke" betitelte - weil erste, ganz leise Kritik an seiner Arbeit aufkam. Diese Dünnhäutigkeit des Fußballlehrers kam überraschend.

In andere Bahnen lenken

All diese Vorgänge, die einzeln betrachtet eher Randerscheinungen waren, entwickelten sich in den vergangenen Tagen allerdings zu einer toxischen Melange, die nun ihr Opfer suchte. Auch das ist das traditionelle Schalke.

S04-Vorstand Knäbel - "Zu diesem Zeitpunkt die richtige Entscheidung"

Sport 27.09.2023 01:21 Min. Verfügbar bis 27.09.2024 WDR

Es stellt sich allerdings die Frage, weshalb Sportdirektor Hechelmann und Sportvorstand Knäbel diese Entwicklungen nicht schon früher in andere Bahnen gelenkt haben. Denn beide müssten um die Eigendynamik, die solche (Einzel-) Themen im Schalker Umfeld annehmen können, wissen.

Zu einer echten Affäre auswachsen lassen

Mit der Bestrafung und der zeitweisen Verbannung Baumgartls aus dem Profikader haben beide den Aussagen des Spielers eine Bedeutung und Wichtigkeit zukommen lassen, die kaum angemessen erscheint. Damit haben sie Baumgartls kritische - aber wohl nicht unwahren - Worte nicht als eine Disziplinlosigkeit betrachtet und bewertet, sondern als einen internen Hochverrat - und damit zu einer echten Schalker Affäre auswachsen lassen.

Die Folge daraus ist öffentlich zur Schau getragenes, gegenseitiges Misstrauen. Auch das sind altbekannte Reaktionen beim Traditionsverein, bei dem vermeintlich verletzte Loyalität gegenüber dem Klub als schlimmstes Vergehen angesehen wird.

Hechelmann - "Veränderungen schaffen Raum"

WDR 27.09.2023 00:49 Min. Verfügbar bis 27.09.2024 WDR

Großer Umbruch steht wieder an

Der Klub hinterlässt in diesem Tagen mal wieder ein bedenkliches Bild. Neben der großen sportlichen Schieflage in der 2. Bundesliga (16. Tabellenplatz), die am schwerwiegendsten zu bewerten ist, fehlen weiterhin ein Vorstandsvorsitzender, ein Trainer, Geld für Investitionen. Und ab dem kommenden Sommer wohl auch ein Sportvorstand. Knäbels Vertrag läuft dann aus, eine Verlängerung erscheint momentan eher unwahrscheinlich.

Bei den Schalkern steht also mal wieder ein großer Umbruch an. Aber wer kennt sich damit eigentlich besser aus als der Ruhrgebietsklub, der niemals zur Ruhe kommt?