Porträt zeigt eine sitzende Frau mit hohem Hut und großer Halskrause, die ernst blickt

21. März 1617 - Pocahontas stirbt in der Nähe von London

Stand: 15.03.2022, 09:00 Uhr

Die schöne "Indianer-Häuptlingstochter" Pocahontas wurde von Disney in Zucker gebadet, in Kinderbüchern gefeiert. Doch der Mythos um Liebe und Völkerverständigung basiert auf brutaler Gewalt.

Pocahontas, Häuptlingstochter (Todestag, 21.03.1617)

WDR Zeitzeichen 21.03.2022 14:47 Min. Verfügbar bis 17.03.2099 WDR 5


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In Filmen, Kinderbüchern und Popsongs wird diese Liebesgeschichte gefeiert: Engländer besiedeln zu Beginn des 17. Jahrhunderts das Land der Powhatan. Die schöne Pocahontas, Lieblingstochter des Häuptlings, verliebt sich in den Kapitän des Schiffes, John Smith. Als dieser von ihrem Vater hingerichtet werden soll, wirft sich Pocahontas mit einem flammenden Friedensappell schützend auf Smith. Im Zeichentrick-Disney-Film von 1995 sagt sie: "Wenn du ihn tötest, musst du mich auch töten. Sieh dich doch um, dann siehst du, wohin uns der Weg des Hasses geführt hat. Welchen Weg willst du gehen?" Der Vater antwortet bekehrt: "Meine Tochter spricht mit einer Weisheit weit jenseits ihrer Jahre. Wir sind gekommen mit Zorn in unseren Herzen, sie aber ist gekommen mit Mut und Verständnis."

Der historische Smith schwärmt von einer Zehnjährigen

Die Schilderungen von John Smith bilden die Grundlage des Pocahontas-Mythos: "Ein Mädchen, das an Schönheit, Gestalt und Proportionen alle anderen ihres Volkes übertrifft", so beschreibt er das "Mädchen von zehn Jahren". Er schildert zwar die Rettungsszene, schreibt aber von keiner Liebesbeziehung. Erst spätere Quellen reden davon, mit jeder Version wird die Zehnjährige älter gemacht.

Gefangennahme und Vergewaltigungen

Verbürgt ist, dass die Engländer im März 1613 Pocahontas kidnappen. "Historiker, gehen davon aus, dass das für Pocahontas unglaublich qualvoll gewesen sein muss. Man spricht auch von mehrfachen Vergewaltigungen", sagt Oliver Scheiding, Amerikanist am Obama-Institut in Mainz. Pocahontas wird getauft, heißt fortan Rebecca. Als sie den englischen Tabakpflanzer John Rolfe heiratet, ist sie wohl bereits schwanger: "Wahrscheinlich ein Kind, das aus diesen brutalen – das kann man gar nicht anders sagen – Vergewaltigungen hervorgegangen ist", vermutet Scheiding.

Die "Indianer-Prinzessin" sorgt in England für Furore

Rolfe nimmt seine Ehefrau mit nach England auf eine Art Werbe-Tour für sein marodes Tabakunternehmen. Die bekehrte "Indianer-Prinzessin" macht Furore, sie wird sogar ins Königshaus eingeladen. Kurze Zeit später stirbt sie, vermutlich 22 Jahre alt, in der Hafenstadt Gravesend, die genaue Ursache ist unklar. Ihr Todestag soll der 21. März 1617 gewesen sein.

Autor des Hörfunkbeitrags: Marko Rösseler
Redaktion: David Rother

Programmtipps:

"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 21. März 2022 an Pocahontas. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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