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Samuel Heinicke, Pädagoge

10. April 1727 - Der Pädagoge Samuel Heinicke wird geboren

Stand: 30.03.2022, 14:43 Uhr

Bis ins 18. Jahrhundert gelten Gehörlose als "Idioten". Dieser Diskriminierung setzt Samuel Heinicke die erste Gehörlosenschule Deutschlands entgegen. Doch seine Lern-Methode ist umstritten.

Lautsprache oder Gebärdensprache? Für den Pädagogen Samuel Heinicke ist die Antwort klar: In seinem Unterricht sollen die tauben Kinder die Lautsprache verstehen und sprechen lernen. Er bringt ihnen bei, von den Lippen Silben und Worte abzulesen. Beim "Entstummen", wie es damals heißt, setzt er auf die Vokale. Essig steht zum Beispiel für das "I" und Zuckerwasser für das "O".

Samuel Heinicke, Pädagoge (Geburtstag, 10.04.1727)

WDR ZeitZeichen 10.04.2022 14:55 Min. Verfügbar bis 10.04.2099 WDR 5


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Doch an Heinickes Ansatz gibt es Kritik. Sein Zeitgenosse Pater Abbé de L'Epée hat 1771 in Paris eine Schule für Gehörlose gegründet und unterrichtet Kinder mithilfe von Gebärden. Er hat festgestellt, dass sich Taube untereinander mit einem eigenen Zeichensystem verständigen. Daran knüpft der Pater an und streitet sich mit Heinicke in einem Briefwechsel über die bessere Methode.

Widersetzt sich Stigma

Heinicke neigt in diesem Zweikampf zu Ausbrüchen, die als unverhältnismäßig wahrgenommen werden. Die Zahl seiner Gegner wächst. Der Methodenstreit erhält auch eine politische Dimension: Heinicke steht für die deutsche Methode, de L'Epée für die französische.

Die Auseinandersetzung überschattet Heinickes eigentliche Leistung. Nachdem er 1768 in Eppendorf bei Hamburg Schulmeister geworden ist, unterrichtet er auch einen gehörlosen Jungen. Er widersetzt sich damit dem damals vorherrschenden Stigma "Wer nicht hören kann, kann auch nicht denken."

Erste deutsche Gehörlosenschule

Geboren wird Samuel Heinicke am 10. April 1727 im thüringischen Nautschütz. Der Sohn wohlhabender Bauern wird Mitglied der kurfürstlichen Leibgarde. Während des Siebenjährigen Krieges kann er aus preußischer Gefangenschaft fliehen und in Jena untertauchen. Dort studiert er Philosophie, Mathematik und Naturlehre. Später setzt er sich nach Hamburg ab.

1774 unterrichtet Heinicke bereits fünf Gehörlose. Nach Querelen mit dem Ortspastor, der seine Arbeit für Teufelswerk hält, folgt er dem Ruf des sächsischen Kurfürsten und zieht mit neun Schülern nach Leipzig. Dort gründet er eine "Taubstummen-Anstalt", die erste Gehörlosenschule in Deutschland.

Streit geht weiter

Samuel Heinicke stirbt 1790, nur wenige Monate nach dem Tod seines Kontrahenten Abbé de L'Epée. Der Streit aber geht weiter: Lautsprache oder Gebärdensprache? 1880 verbannt der Mailänder Kongress die Gebärdensprache aus den europäischen Schulen.

Nur eine Minderheit der anwesenden Gehörlosenpädagogen warnt vor den Folgen: Lautsprache verlangsame die Bildung Gehörloser, weil Lippenlesen anstrengender sei. Mittlerweile ist auch die Gebärdensprache weitgehend anerkannt.

Autorin des Hörfunkbeitrags: Heide Soltau
Redaktion: Gesa Rünker

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 10. April 2022 an Samuel Heinicke. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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