22. Mai 1891 - Geburtstag von Johannes R. Becher
Stand: 22.05.2021, 10:20 Uhr
Nach der Kapitulation Nazi-Deutschlands im Zweiten Weltkrieg kommt Johannes R. Becher als einer der ersten Schriftsteller aus dem Exil zurück. Im Moskauer Hotel Lux hat er den Auftrag erhalten, den "Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands" zu gründen. Mit seiner Hilfe will er seine Heimat sozialistisch machen.
Später verfolgt Becher den Plan weiter in der DDR – so, wie er es 1949 in dem von ihm verfassten Text zur Nationalhymne formuliert. Und immer noch mit dem Gedanken an ein vereintes Deutschland: "Auferstanden aus Ruinen / Und der Zukunft zugewandt, / Lass uns dir zum Guten dienen, / Deutschland einig Vaterland."
Sprachmächtige Stimme des Expressionismus
Geboren wird Becher am 22. Mai 1891 als Sohn eines Staatsanwalts in München. Schon früh rebelliert er gegen die Autorität des Vaters, nicht zuletzt – wie viele seiner Generation – mit Literatur. Mit 16 beginnt er, Gedichte zu schreiben, zwei Jahre später versucht er, sich mit seiner acht Jahre älteren Geliebten das Leben zu nehmen. Sie stirbt, der Vater bewahrt seinen Sohn vor einer Mordanklage, indem er ihn für unzurechnungsfähig erklärt.
In der Folge verfällt Becher dem Morphium. Gleichzeitig avanciert er mit seinen spracherneuernden Gedichten zu einer der wichtigsten Stimmen der expressionistischen Generation. 1918 misslingt ein weiterer Suizidversuch ebenso wie zuvor schon der Plan, mit einem Freund einen Verlag zu gründen – oder später die erste Ehe.
"Seht, über Stalins Grab die Taube kreist!"
In der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) findet Becher einen Ruhepol. Für seine Propaganda-Arbeit erhält der 32-Jährige von den Genossen erstmals ein Monatsgehalt. Der expressionistische Traum vom neuen Menschen mündet jetzt in der kommunistischen Idee: in den auch literarischen Kampf gegen Kapitalismus und Bürgertum.
1933 fliegt Becher vor den Nationalsozialisten nach Paris, später dann geht er zur "Bildung einer literarischen Einheitsfront" nach Moskau. In den zehn Jahren des Exils lernt er kein Russisch, von den "Säuberungen" Stalins, dessen Tod er später pathetisch betrauern wird, bleibt er verschont. Stattdessen arbeitet er für Radio Moskau und fiktionalisiert mit "Abschied" (1940) die eigene Lebensgeschichte in Form eines Bildungsromans.
Fallstrick Ungarn-Aufstand
Nach dem Zweiten Weltkrieg macht Becher in der DDR als Staatsdichter Karriere. Er kommt in den Parteivorstand der SED, 1954 wird er erster DDR-Kulturminister. Wegen seiner unklaren Haltung während des Ungarn-Aufstands fällt er in Ungnade und behält das Amt nur noch pro forma. Becher stirbt 1958 nach einer Krebsoperation in Ost-Berlin. Er hinterlässt fast 100 Gedichtbände, Romane und Pamphlete.
Autor des Hörfunkbeitrags: Christoph Vormweg
Redaktion: Ronald Feisel
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 22. Mai 2021 an Johannes R. Becherr. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
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