Ihre erste Reise beginnt mit einer Lüge. Als die 44 Jahre alte Wienerin Ida Pfeiffer am 22. März 1842 mit dem Donauschiff "Marianne" aufbricht, erzählt sie allen, dass sie nach Konstantinopel, das heutige Istanbul, will.
Schon das erscheint ihrer Familie als Träume einer verspannten Frau. Tatsächlich aber gehen ihre Pläne viel weiter: Ihr Ziel ist das Heilige Land, Jerusalem.
Eine selbstbewusste Frau behauptet sich in der Fremde
Über Nazareth, den Libanon und Ägypten geht es dann über Sizilien und durch ganz Italien zurück nach Wien. Nach mehr als neun Monaten ist Ida Pfeiffer wieder zu Hause. Eine braun gebrannte Biedermeierdame, die sich trotz aller Schwierigkeiten in der Fremde behauptet hat.
Familie fürchtet um den guten Ruf
Erst 1844 erscheinen ihre Reiseerinnerungen unter dem Titel "Reise einer Wienerin in das Heilige Land" mit einigen Kürzungen, allerdings anonym. Ihre Familie fürchtet um ihren guten Ruf, ebenso ihr Ehemann, obwohl er in ihrem Leben längst keine Rolle mehr spielt.
Erst die vierte Auflage zwölf Jahre später nennt ihren Namen. Da ist sie schon zu ihrer fünften und letzten großen Reise nach Madagaskar aufgebrochen und gilt als eine der beliebtesten Reiseschriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts.
Von der Mutter in die Ehe gedrängt
Ihre Reisen bringen Ida Pfeiffer auf vier Kontinente. Unter anderem bereist sie als erste Europäerin den Dschungel auf Borneo, um dort Kopfjäger zu besuchen.
Dreizehn Bücher schreibt sie über ihre Erlebnisse und Beobachtungen. Ihre Abenteuerlust stammt wohl von ihrem Vater. Er erzieht sie genauso wie ihre fünf Brüder. Gegen den Willen ihrer Mutter, die dafür sorgt, dass ihre Tochter eine Vernunftehe mit einem viel älteren Witwer eingeht.
Ida Pfeiffer: "Gott allein weiß, was ich durch achtzehn Jahre meiner Ehe litt! Nicht durch rohe Behandlung von Seite meines Mannes, sondern durch die drückendsten Lebens-Verhältnisse, durch Noth und Mangel! (…)
Ich verrichtete alle Hausarbeiten, ich fror und hungerte, ich arbeitete im Geheimen für Geld, ich ertheilte Unterricht in Zeichnen und Musik, und doch trotz aller Anstrengungen gab es oft Tage, an welchen ich meinen armen Kindern kaum etwas mehr als trockenes Brot zum Mittagessen vorzusetzen hatte!"
Reisen bieten nur vorübergehend die Freiheit
Erst als ihre Mutter stirbt, kann sie mit der Erbschaft ein sorgenfreies Leben führen und ihren Söhnen eine gute Ausbildung ermöglichen.
Als ihre Söhne sich beruflich etabliert haben, verwirklicht Ida Pfeiffer ihren Traum vom Reisen. Die Frau jedoch, die neun Monate lang allein in der Fremde alle Entscheidungen selbst trifft, muss zurück in Wien erfahren, dass die gesellschaftlichen Konventionen sie wieder in die alte Frauenrolle zwängen.
Die Leidenschaft kostet das Leben
Australien bleibt der einzige Kontinent, den Ida Pfeiffer unbedingt noch bereisen will. Der Weg dorthin soll sie über Madagaskar führen. Dort gerät sie jedoch in einen politischen Umsturz und muss das Land verlassen.
Auf dem Rückweg durch die Sümpfe des Regenwaldes leidet sie an schweren Fieberschüben. Erschöpft erreicht sie 1858 Wien, kann sich aber nicht mehr erholen. Sie stirbt am 27. Oktober mit 61 Jahren. Vermutlich an den Folgen der Malaria, die sie sich zuvor auf einer ihrer Reisen zugezogen hat.
Autor des Hörfunkbeitrags: Thomas Mau
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 14. Oktober 2022 an die Reiseschriftstellerin Ida Pfeiffer. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
ZeitZeichen am 15.10.2022: Vor fünf Jahren: #MeToo startet weltweite Diskussion um sexuellen Machtmissbrauch.