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Farinelli (Carlo Broschi), Sänger

16. September 1782 - Der Sänger Farinelli stirbt in Bologna

Er gilt als eines der größten Stimmwunder der Musikgeschichte: der italienische Sänger Carlo Broschi, besser bekannt als Farinelli. Sein Erfolg hat allerdings einen hohen Preis.

Im 18. Jahrhundert sind die Stars der Opernbühne Kastraten. Ihnen werden bereits im Kindesalter die Samenstränge der Hoden durchtrennt, um ihre hohe Knabenstimmen zu erhalten. Offiziell ist das verboten, aber selbst in der Sixtinischen Kapelle des Vatikans treten Kastraten auf.

Durch die Kastration der Knaben bleiben der Stimmbruch aus und die Stimmbänder klein. Lunge und Brustkorb hingegen wachsen auf die Größe eine Mannes. Das sorgt für einen langen Atem und die Möglichkeit, lange Koloraturen zu singen.

Der berühmteste Kastrat seiner Zeit ist Carlo Maria Michelangelo Nicolas Broschi. Er wird im Januar 1705 in der Nähe von Neapel geboren und mit zehn Jahren kastriert - angeblich weil sein älterer Bruder Riccardo darauf besteht. Die beiden Brüder haben ein symbiotisches Verhältnis. Riccardo schreibt später als Barock-Komponist eigene Werke für seinen Bruder.

Angebote aus ganz Europa

Carlo wird Schüler des Gesangslehrers Nicola Porpora. Sein Talent bleibt auch den wohlhabenden Farina-Brüdern nicht verborgen. Sie fördern den Hochbegabten. Zu ihren Ehren wählt Broschi den Künstlernamen Farinelli. Mit 15 Jahren tritt er erstmals öffentlich auf.

Farinelli, Kastrat und Pop-Idol im 18. Jhd. (Todestag,16.9.1782)

WDR ZeitZeichen 16.09.2022 15:00 Min. Verfügbar bis 16.09.2099 WDR 5


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Zwei Jahre später liefert er sich in Rom ein musikalisches Duell mit einem bekannten Trompeter. Den Wettstreit, wer den längeren Atem hat, gewinnt Farinelli. Ein Zeitgenosse berichtet: "Mit vollendeter Leichtigkeit wandert seine Stimme über 23 Noten, niemand kann sich erinnern, jemals etwas Vergleichbares gehört zu haben." Aus ganz Europa kommen neue Auftrittsangebote.

Spitzentöne gegen Depressionen

Mit 32 Jahren trifft Farinelli eine weitreichende Entscheidung: Er zieht sich von der Opernbühne zurück und geht nach Spanien, wo er für fünf Monate am königlichen Hof singen soll. Daraus werden schließlich fast 23 Jahre. Sein Gesang soll die Depressionen von König Philipp V. kurieren. Außerdem leitet er die Opernhäuser von Madrid und Aranjuez.

1759 muss Farinelli Spanien verlassen. Der neue König Carlos III. interessiert sich nicht für Musik. Der Sänger setzt sich mit einem stattlichen Vermögen in Bologna zur Ruhe. Dort empfängt er prominente Besucher, darunter sind Kaiser Joseph II., Casanova sowie die Komponisten Gluck und Mozart. Am 16. September 1782 stirbt Carlo Broschi mit 77 Jahren in Bologna.

Frauen und Countertenöre

Schon vor dem Tod des Sängers ist der Kastraten-Boom abgeebbt. Zeitgenössische Interpretationen von Barockmusik mit hohen Stimmen werden anders aufgeführt: Die Partien, die ursprünglich für Kastraten komponiert wurden, übernehmen heute vielfach Frauen.

Immer öfter kommen aber auch sogenannte Countertenöre zum Einsatz. Das sind Männer, die eine besondere Gesangstechnik einsetzen: Statt der normalen Bruststimme nutzen sie die Kopfstimme, auch Falsett genannt. Sie erreichen damit ähnlich hohe Töne wie die Kastraten damals - aber ohne Kastration.

Autor des Hörfunkbeitrags: Christoph Vratz
Redaktion: David Rother

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 16. September 2022 an Carlo Broschi alias Farinelli. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

ZeitZeichen am 17.09.2022: Vor 200 Jahren: Entzifferung der Hieroglyphen durch Jean-François Champollion