Sieben Todsünden zählte die christliche Kirche früher auf, die die menschliche Seele in größtes Verderben führen können. Sie standen für sieben Versuchungen, denen grundsätzlich alle Menschen ausgesetzt sind: Gier, Geiz, Neid, Wollust, Zorn, Hochmut und Trägheit. Wer sich ihnen auslieferte, musste ewige Höllenstrafen gewärtigen. In Dantes "Göttlicher Komödie" kann man die Sündigen bei ihren entsetzlichen Leiden in den inneren Kreisen der Hölle betrachten.
Der Philosoph Gunter Gebauer
Allerdings hat sich in der Moderne die ethische Bewertung weitgehend gedreht: Heute sind die Menschen verantwortlich für ihren Besitz, Ruhm und Erfolg, sie werden ermutigt zur Jagd auf politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Positionen. Was früher als Todsünde verdammt wurde, ist seit dem 19. Jahrhundert in die Tugenden des modernen Heldentums gewendet. Jeder der sieben Todsünden entspricht jetzt einem Kapitel in der Bibel des Erfolgsmenschen.
"Früher hatte der Mensch vor Gott die Verantwortung für sein Seelenheil. Heute sind die Menschen selbst verantwortlich für ihren Reichtum, Ruhm, Erfolg", sagt der Philosoph Gunther Gebauer. "Ihre zu Tugenden verdrehten Sünden werden in Büchern verklärt, die wir Legenden verfasst sind. Ihre Halbwertszeit ist jedoch beträchtlich kürzer als die Heiligenviten." Heißt: Es braucht eine Hohe Wachheit, denn das Ganze kann jederzeit kippen. "Und sie müssen höllisch aufpassen, dass die Öffentlichkeit das moralische Umfälschen nicht bemerkt. Auch heute wünscht das Publikum, dass die Großen stürzen, wenn hinter ihren Tugenden alte Todsünden sichtbar werden."
Wie können wir heute Tugenden von Lastern unterscheiden? Hat der Gedanke der Sünde noch eine Wirkkraft? Welche Bedeutung haben die sieben Todsünden für Sie?
Hörer:innen können mitdiskutieren per Mail unter philo@wdr.de.
Redaktion: Gundi Große
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