Bisher hat die deutsch-georgische Theaterautorin und Schriftstellerin Nino Haratischwili den deutschen Lesern die Straßen von Tbilissi und die Geschichte Georgiens nahegebracht. Nun bekommt sie Konkurrenz aus England. In seinem Debütroman erzählt der Brite Leo Vardiashvili von der Rückkehr in das Land seiner Kindheit.
Ich-Erzähler Saba war acht Jahre alt, als er mit Bruder und Vater aus den Wirren des georgischen Bürgerkriegs nach der Unabhängigkeit von der Sowjetunion nach England fliehen konnte. Nur Mutter Eka musste damals zurückbleiben. Erst Jahre später zieht es Vater Irakli nach Georgien zurück. Bruder Sandro fliegt hinterher, als der Vater keine Nachrichten mehr schickt.
Als auch der Bruder nichts mehr von sich hören lässt, macht sich auch Saba auf den Weg. Was ist mit seinen Liebsten passiert? Am Flughafen nimmt ihm die Polizei den Pass ab. Saba kommt bei Taxifahrer Nodar unter. Schnell findet er den ersten Hinweis von Bruder Sandro.
Das titelgebende Zitat "Vor einem großen Walde" stammt aus "Hänsel und Gretel", das Märchen spielt für Saba und Sandro eine besondere Rolle. Der Roman erzählt von Saba und Nadors Schnitzeljagd durch Tbilissi, die eigene Vergangenheit und Georgiens tragische Geschichte. Die Stimmen der verstorbenen Verwandten Sabas erwachen zum Leben und weisen Saba den Weg.
Die Leser lernen wunderbar liebenswerte Charaktere kennen, denen die Geschichte übel mitgespielt hat, die aber nie die Hoffnung und den Humor verlieren. Mit seinem Debüt hat Leo Varidiashvili auf Anhieb einen rasanten und spannenden Roadtrip vorgelegt. Eine Rezension von Mareike Ilsemann
Literaturangaben:
Leo Vardiashvili: Vor einem großen Walde
Aus dem Englischen von Wibke Kuhn
Claassen Verlag, 2024
464 Seiten, 25 Euro