Pünktlich zu seinem 70. Geburtstag legt der Autor nun eine charmante Sammlung von kleinen, funkelnden Prosastücken vor. Porträt des Schriftstellers als alternder Mann: Wie die meisten seiner Bücher ist auch das jüngste Werk von Karl-Markus Gauß autobiographisch grundiert – wobei das Älterwerden in diesen Texten immer wieder eine tragende Rolle spielt.
"Meine Lebenszeit ist herzergreifend schnell vergangen", resümiert der Autor. Die Freude am Sprachspiel und die Lust an pointierten Positionen und treffsicheren Formulierungen hat sich Gauß auch im fortgeschrittenen Alter erhalten.
Einer der bezauberndsten Texte des Bands ist dem Buchstaben Ypsilon gewidmet, dem die Liebe des Schriftstellers in besonderem Maß gehört. Vielleicht, weil das Ypsilon im Deutschen vom Aussterben bedroht ist. Irgendwann, so Gauß, wird das Ypsilon dem Ü weichen müssen – Stichwort: "Dynastie. Oder dem Jot – Stichwort: Joga.
Worüber schreibt Karl-Markus Gauß sonst noch? Das Vanitas-Motiv klingt immer wieder an in diesem Buch, zugleich erkundet der Autor die "Schönheit hässlicher Städte", etwa im albanischen Shkodra, und widmet den Gedichten Zbigniew Herberts und Wislawa Szymborskas empathische Meditationen.
Das alles liest sich ebenso vitalisierend wie inspirierend. Mit "Schiff aus Stein" hat der Autor seinem Publikum – und sich selbst – ein würdiges Geschenk zum Siebziger gemacht.
Eine Rezension von Günter Kaindlstorfer
Literaturangaben:
Karl-Markus Gauß: Schiff aus Stein
Zsolnay, 2024
144 Seiten, 23 Euro