Buchcover: "Ich habe den Zorn des Windes gesehen" von Mariam Meetra

Aktuelle Lyrik

"Ich habe den Zorn des Windes gesehen" von Mariam Meetra

Stand: 19.01.2024, 14:11 Uhr

"Ich habe den Zorn des Windes gesehen" ist der erste auf Deutsch erschienene Lyrikband der 1992 in Afghanistan geborenen Mariam Meetra. Ein eindrucksvolles Debut.

Mariam Meetra hat Journalismus in Kabul studiert und danach ein Master Studium der Sozialwissenschaften an der Humboldt Universität in Berlin absolviert, wo sie auch heute lebt.

In ihren Gedichten, auf Dari (Persisch) und Deutsch veröffentlicht, erzählt Mariam Meetra vom Verlust der Heimat, vom Verlust des vertrauten Kabul. "Das Schweigen der Mädchen der Stadt / In einer Stadt ohne Lichter gerät in Vergessenheit / In einer dunklen Stadt ohne Fenster" heißt es da in dem Gedicht "Stadt ohne Lichter".

Diese Zeilen lassen erahnen, wie sich Mädchen und Frauen in einem islamistischen Land fühlen müssen, dass keine Rechte für sie vorhält und sie fast vollständig aus dem öffentlichen Leben verbannt hat. Vor diesem Hintergrund sind die Gedichte von Mariam Meetra zu lesen und zu verstehen.

Aber auch der lange Krieg in Afghanistan findet in ihrer Lyrik Wiederhall wie in "Die Soldaten", einem Text, der eindringlich noch einmal die Hoffnung beschwört, die mit den fremden Soldaten in ihrem Heimatland verbunden war. "Die Schlagzeilen der Nachrichten in aller Welt sind rot / Von unserem Blut / Und die Soldaten sind verstummt / In anonymen Gräbern (…) und schicke den Brief an die Politiker / Die sagen der Krieg wird unsere Häuser befreien / Der Brief kommt zurück".

Es sind traurige Gedichte, die Mariam Meetra geschrieben hat und dann besonders, wenn sie sich mit Wehmut der Schönheit der Orte in Kabul erinnert, die für sie zumindest vorläufig verloren sind oder wenn sie eine vergangene Liebschaft und deren Aussichtslosigkeit thematisiert.

Zärtlich und leidenschaftlich ist die Lyrik von Mariam Meetra, die es versteht in schlüssigen Metaphern und Bildern das auszudrücken, was sie fühlt, nämlich nicht mehr und nicht weniger als die schmerzvolle Abwesenheit von Vertrautheit. "Ich habe den Zorn des Windes gesehen" ist ein im besten Sinne ergreifendes Werk.

Eine Rezension von Matthias Ehlers

Literaturangaben:
Mariam Meetra: Ich habe den Zorn des Windes gesehen. Gedichte
Persisch – Deutsch
Aus dem Persischen von Ali Abdollahi, Susanne Baghestani,
Sylvia Geist und Kurt Scharf
Wallstein Verlag, 2023
130 Seiten, 22 Euro