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Jetzt läuft: Francis Poulenc - Sonate, FP 164
Keno Mescher.

Moderation

Keno Mescher

Keno Mescher moderiert WDR 3 open: Multitrack.

Musik ist mein Lebensthema. Als Produzent, als Gitarrist, als Synthese- und Sampling-Nerd, als Musikwissenschaftler, Journalist, Moderator, Interviewer, DJ oder Fan. Dabei steht immer die Frage im Vordergrund: Was ist Musik überhaupt?

Ist es nur eine “number in time“, wie der Londoner Drummer Moses Boyd mir gegenüber mal vermutet hat? Ist es ihre Unverständlichkeit, ihr mystischer Kern, der uns anzieht, wie die dänische Pianistin und Elektronikerin Agnes Obel denkt? Hat der musikalische Gedanke tatsächlich keinerlei Gemeinsamkeiten mit dem Verbalen, wie es der Komponist Peter Hermann formuliert hat?

Oder ist Musik schlicht das, was Menschen dazu erklären?

Warum singen wir? Warum tanzen wir? Warum bauen wir Instrumente? Warum hat Musik so eine unglaubliche emotionale Kraft? Warum ist Musik so identitätsstiftend? Warum kann Musik so manipulativ sein? Warum hat sie für manche göttliche Qualitäten? Warum finden die einen Tiefe und Erfüllung in Klängen, die für andere einfach nur platt und grauenhaft sind?

Das sind Fragen, die mich schon sehr lange begleiten. Eine der wichtigsten habe ich noch gar nicht erwähnt: Mit welcher Haltung bewege ich mich als Fragender, als Suchender in der Welt der Musik?

Einerseits ist sie viel zu wichtig, um nur ernst darüber zu sprechen, um einen alten Sinnspruch von Oscar Wilde zu paraphrasieren. Andererseits liegt mir genau das am Herzen: Die Musik ernst nehmen. Ihr mit Respekt begegnen. Den Menschen gegenüber, die sie machen. Den Menschen gegenüber, die sie hören. In dieser Ambivalenz zwischen erlebnisorientiertem und erkenntnistheoretischem Ansatz fühle ich mich zu Hause. Dabei liegt immer ein besonderes Ohrenmerk auf dem Abseitigen, dem Unrepräsentierten. Ein persönlicher Schwerpunkt liegt bei mir auch in der elektronischen Musik - aktuell und historisch - und insbesondere in der Clubkultur, in der ich sozialisiert worden bin. Und die - meiner Meinung nach - in ihrer formalen und gesellschaftlichen Offenheit mehr als jede andere Form von Musik als Soundtrack einer zusammenwachsenden Welt verstanden werden kann.

Ich unterhalte mich allerdings genau so gerne mit Louis Sarno oder Debashish Battacharya über die sterbende Musiktradition der kongolesischen Baka-Pygmäen und indische Klangphilosophie, wie ich mich mit Phillip Sollmann oder JakoJako über computergesteuerte Orgelpfeifen, das Auflegen im Berghain oder den Reiz analoger Modularsysteme austausche.

Natürlich kann ich nicht objektiv über Musik urteilen. Will ich auch nicht. Es ist mir allerdings ein leidenschaftlich subjektives Anliegen, jeder Musik mit Aufgeschlossenheit und Neugier zu begegnen. Auch wenn sie mir anfangs unangenehm oder banal erscheint.

Dabei ist das Radio bzw. die rein klangliche Darstellungsform für mich das ideale Medium, um diese Fragen zu klären. Es braucht eben sehr selten Bilder, um Musik zu verstehen.

Amen.