Kris Kuldkepp

Blaues Rauschen 2024 (2)

Neue Klangfarben für das Ruhrgebiet

Ein Rückblick auf die sechste Ausgabe des internationalen Soundart-Festivals. Klangforschungs-Jet Set im Revier mit Performances von Marja Ahti, Amma Arteria, Kris Kuldkepp, Klaus Obermaier, Janek Schaefer u.a.

Das Konzert steht für 30 Tage zum Nachhören bereit.

Was macht eigentlich Janek Schaefer? Mit seinem dreiarmigen Plattenspieler ist er schon in den 90er Jahren in die Geschichte des Turntableisms - und ins Guinnes Buch der Rekorde eingegangen, heutzutage erfindet er sich mal wieder neu als Filmemacher und macht natürlich den Soundtrack selbst u.a. mit Shruti Box und Live Elektronik.

Das alles präsentiert er im hippsten Club von Swifttown, im „Hier ist nicht da“.

Nach einer Gehirnerschütterung vor einigen Jahren war die Wahrnehmungskapazität von Komponistin und Soundartist Amma Ateria eine Zeit lang immens beeinträchtigt. Während der Genesung konnte sie nur bestimmte Formen von Reizen ertragen. Noch weniger als angenehm empfinden. In den Flottmann Hallen in Herne skizziert sie mit ihrem Set die (nicht chronologische) akustische Umgebung ihrer Genesungszeit - und zeigt damit, wie unmittelbar Sound Einfluss auf unser vegetatives Nervensystem nimmt.

Bei Kris Kuldkepps gestengeladener Solo-Perfomance am erweiterten Kontrabass im Essener Rabbithole Theater muss man ebenso wenig Langeweile fürchten wie bei Klaus Obermaier, der mit seiner intermedialen Performance dafür begeistert, was zeitgenössisch alles Instrument sein kann. In seinem Fall werden nämlich Sound und Visuals durch Motiontracking erzeugt und sehr eng miteinander verzahnt. Mit Motiontracking kann man also nicht nur gamen, sondern auch improvisieren.

Marja Ahti füllt mit Drones und mutierenden Harmonien den Raum einer ehemaligen Brauerei: Des Schlegel Kulturclub in Bochum. Und die in der Ukraine geborene und aufgewachsene Katarina Gryvul verarbeitet nach einer langen Phase künstlerischer Ohnmacht in ihrem aktuellen Liveset den Schock über den Krieg in ihrer Heimat. Elektronische Großwetterlagen schaffen bedrohliche Atmosphären, in denen einem u.a. ergreifende Vokalpassagen zwischen Panikattacke und und gutturaler Quetschung sehr nahe kommen.

Zu befürchten ist nur, dass die liebgewonnenen Konzepte der (elektronischen) Avantgarden aus dem letzten Jahrhundert bei den heutigen musikalischen Realitäten zwischen AI und LoFi nicht weiter helfen: Da kocht was Neues. Im Pott. Beim Festival „Blaues Rauschen“.

Soundart und Performances beim Ruhrgebietsfestival für Zukunftsmusik

Aufnahmen vom 24. Mai - 6. Juni 2024

Moderation: Ilka Geyer
Redaktion: Markus Heuger