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Dominique Dalcan

Auf der Suche nach der unbekannten Mutter

Review: Dominique Dalcan: "Last Night A Woman Saved My Life"

Stand: 02.01.2024, 08:00 Uhr

Dominique Dalcan, Pionier des French Electronic Pop, geht mit seinem neuen Album auf die Suche seiner libanesischen Wurzeln. Die Stimmen von zehn Sängerinnen aus der arabischen Welt und dem Iran umgibt er dafür mit einem akustisch-elektronischen Crossover aus Orient und Okzident.

Von Anna-Bianca Krause

Der verborgene Schatz in mir

Dominique Dalcan hat eine vielseitige Musik-Biografie, die vom Pop über die Clubkultur zu Soundtracks reicht. Er gilt als Pionier des French Pop, weil er dieses Genre schon Anfang der Neunziger mit Elektronik verjüngte. Hat dann unter dem Namen Snooze Ambient, Jazz und Breakbeats gekreuzt und Soundtracks für Filme wie den Golden Globe-prämierten "Mein Leben in Rosarot" gemacht. Dazu kommen viele Kollaborationen mit Big Names wie Caetano Veloso, Ryuichi Sakamoto, Camille oder Autechre und viele Preise. Doch erst jetzt mit 59 Jahren hat er mit dem Album "Last Night a Woman saved my Life" ein Herzensprojekt verwirklicht, dass ihn zurück zu seinen Ursprüngen bringt. Denn Dalcan ist in Beirut geboren, wurde aber adoptiert, kam schon als Baby zu einer libanesischen Familie nach Frankreich und wuchs in der Banlieue von Paris auf.

Libanesisches Coming-out

Auslöser für das Album war ein Multimedia-Projekt, dass Dominique Dalcan 2020 im Pariser Kulturzentrum Centquatre realisiert hat. In dieser Klanginstallation erzählten libanesische Frauen von ihrem Alltag, ihren Träumen und Hoffnungen und Dalcan hat den darunterliegenden orientalisch-elektronischen Teppich komponiert. Dadurch kam vieles, das schon lange in ihm gärte an die Oberfläche. Denn er kannte ja die Kultur seiner Heimat gar nicht und mehr als ein paar unscharfe frühkindliche Erinnerungen an Sounds hatte er nicht. Also ging er auf die Suche nach der Stimme seiner unbekannten Mutter und tat das, in dem er zehn Sängerinnen aus der arabischen Welt und dem Iran einlud auf seinem Album zu singen.

Die Stimmen der Frauen

Die erste Kollaboration war "Loin de ma terre" mit der algerischen Sängerin und Songwriterin Souad Massi. Ihre Stimme erinnerte ihn an Kassetten mit dem Gesang der legendären Fairouz, die er als Kind gehört hatte. Der Song ist auch einer von zwei Duetten, die Dalcan auf dem Album singt.

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Neun weitere Kollaborationen folgten: mit der Ägypterin Dina El Wedidi, der tunesischen Sängerin und Qanun-spielerin Hend Zouari, der iranischen Künstlerin Rezvan Zahedi, der syrischen Jazzerin Lynn Adib, den legendären libanesischen Vokalistinnen Bernadette Yammine und Yara Lapidus oder die junge sudanesische Sängerin Sulafa Elyas. Alle haben starke, persönlich geprägte Stimmen und die meisten sind für Menschen außerhalb ihrer Heimatländer echte Entdeckungen.

Die große arabische Melancholie

Dalcan wollte mit den 11 Songs seine – wie er das nennt – große arabische Melancholie ausleben. Das tut er, in dem er in den Songtexten die Sehnsuchtsthemen von Exil und Migration thematisiert: "Loin de ma terre" übersetzt: Weit entfernt von meiner Heimat oder "Mon coeur est solitaire" übersetzt: Mein Herz ist einsam. Und indem er sein elektronisches Know-how, mit dem Sound der arabischen Welt kreuzt, mit Instrumenten wie Qanun oder Oud, mit Arabesken und Texten auf Arabisch, mit araboandalusischen Elementen oder Samples aus alten arabischen Filmen und manchen Gesängen, die mit dem Smartphone aufgenommen werden mussten. Er, der schon seit langem für eine einzigartige Mischung von organischen und synthetischen Elementen bekannt ist, hat mit "Last Night A Woman Saved My Life" (der Titel ist auch eine Hommage an die Disco-Musik seiner Jugend und den Track "Last Night A DJ Saved My Life" von Indeep) einen neuen Stil definiert, den er "Meine persönliche Folklore" nennt: Das Electro-Arabo-Chanson.