Review: Kanye West & Ty Dolla $ign – "Vultures 1"

Stand: 14.02.2024, 16:50 Uhr

Die wohl umstrittenste Persönlichkeit des US-HipHop hat nach etlichen Verschiebungen ein neues Album veröffentlicht: Ye aka Kanye West released gemeinsam mit Ty Dolla $ign das Kollaboalbum "Vultures 1", das den ersten Teil einer gemeinsamen Trilogie darstellt.

Von André Mamengui

In den letzten Jahren machte Kanye West vor allem durch Kontroversen von sich reden: Antisemitismus-, sexuelle Eskapaden im Italienurlaub und nicht geklärte Samples. Das alles hat Ihn nicht gehindert, weiter an Musik zu arbeiten. Das Ergebnis ist jetzt erschienen: "Vultures 1". Zwar gibt es auf dem Album künstlerische Glanzstücke, aber: Kanye West spielt immer wieder auf seine antisemitischen Ausfälle aus dem Jahr 2022 an wie etwa auf dem Titeltrack "Vulture", wo er rappt : "How am I anti-Semitic? I just f*cked a Jewish b*tch". Zeilen wie diese sind nicht nur plump sexistisch, sondern lassen auch einen bitteren Nachgeschmack in Bezug auf Kanyes politischen Lernprozess zurück.

Und auch sonst ist Kanye lyrisch nicht wirklich in Topform, Kollabo-Partner Ty Dolla $ign macht auf Albumlänge eine durchaus bessere Figur. Produktionstechnisch wirkt das Album aufgeräumter als der Vorgänger, Hymnen mit Chor-Hooks, gelungen eingesetzte 808-Drums und Sample-Chops in gewohnter Kanye-Manier. Der Sound ist nicht zu überladen. Das liegt vor allem daran, dass Kanye West sich nach dem letzten Album "Donda" aus 2021 von vielen Producern aus seinem Team getrennt hat – nicht immer freiwillig.

Chaotische Veröffentlichung

Das neue Album wurde bereits für Oktober 2023 angekündigt und immer wieder verschoben. Gründe dafür sind sicher auch einige prominente Namen, die vermutlich wegen der Kontroversen um Kanyes antisemitische Aussagen ihre Parts zurückgezogen haben, so zum Beispiel die Rapperin Nicki Minaj. Zuletzt gab es dann noch Ärger mit UK-Rocklegende Ozzy Osbourne, der Kanye West die Nutzung eines Black Sabbath Sample untersagt hatte – weil er ihn für einen Antisemiten halte. Kanye hatte das Sample trotzdem verwendet und musste es später wieder austauschen. Dennoch findet man mit Travis Scott, Playboy Carti oder Chris Brown auch A-Liga Features auf dem Album wieder.

Ein Hauch "Old-Kanye"

Trotz aller berechtigter Kritik ist "Vultures 1" ein solides Rap-Album der neuen Zeit. Auf dem Track "Burn" etwa spürt man einen Hauch des alten Kanye, der selbstreflektiert und persönlich über sich und seine Kontroversen nachdenkt. Auch Kollabopartner Ty Dolla $ign performt durchaus bemerkenswert auf der Platte. Das Zusammenbringen von Soul-Sampels und den passenden Vocals war schon immer Kanyes Superkraft, was ihm diesmal mit Ty Dolla $ign gelungen ist.

Das musikalisch unbestreitbar geniale Potenzial von Kanye West blitzt auf "Vultures 1" hier und da auf – aber leider gibt es davon zu wenig Momente. So lässt das neue Album Kanyes Fans wahrscheinlich unbefriedigt zurück. Aber es bleibt auch die Hoffnung, dass er auf den kommenden Teilen der Trilogie wieder zurück zu seiner musikalischen Größe vergangener Tage findet und die Kontroversen in den Hintergrund treten – damit Kanye endlich wieder für wegweisende Musik anstatt für problematische Eskapaden steht.