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Rapsody: "Please Don't Cry" - Albumcover. Die sängerin mit Netzmaske vor dem Gesicht auf gelbem Hintergrund.

Gerappte Therapiesitzungen

Rapsody bringt Soloalbum "Please Don't Cry" raus

Stand: 22.05.2024, 13:57 Uhr

Die US-Rapperin Rapsody ist seit mehr als zehn Jahren aktiv, kann auf Features mit Mac Miller, Kendrick Lamar und Erykah Badu zurückschauen. Trotzdem blieb ihr der Durchbruch in den HipHop-Mainstream bisher verwehrt. Jetzt hat die Rapperin aus North Carolina endlich wieder ein Soloalbum rausgebracht: "Please Don´t Cry" ist ihr persönlichstes Werk bisher und zeigt sie in lyrischer Höchstform.

Von Vincent Lindig

Ganze zweiundzwanzig Songs hat Rapsody auf ihrem neuen Album versammelt, das unter anderem Lil Wayne, Erykah Badu und Baby Tate featured. Rapsody gleitet im Train-of-Thought-Stil über die jazzigen, zurückgelehnten Beats: Alles klingt  wie ein zusammenhängender, sich im Moment entwickelnder Gedankengang. Die Texte sind voll von kulturellen Referenzen an Personen und Phänomene der Black Culture der USA, cleveren Wortspielen und Doppeldeutigkeiten – und vor allem: Rapsody traut sich, auf ihren Songs eine radikale Ehrlichkeit und Offenheit zu zeigen. Auf "Raw" gelingt ihr dadurch das beinahe Unmögliche: Sie stellt ihren Featuregast, HipHop-Ikone Lil Wayne, in den Schatten. Einfach, weil sie so ehrlich klingt, wenn sie über die Ansprüche rappt, die an sie als Schwarze Frau im Rapgame gestellt werden – und genau diesen Ansprüchen eine totale Absage erteilt: Ungeschminkt, mit dem natürlichen Körper einer erwachsenen Frau, mit kaputtem Smartphone und Goldzähnen. Rapsody wird auf ihren Songs zur Definition von "unapologetically black": Eine Schwarze Frau, die sich für nichts und niemanden verbiegt.

Geführte Therapiesitzung

Der rote Faden des Albums ist eine sanfte Erzählerinnenstimme, die Rapsodys Hörerschaft durch die Songs führt. Die Stimme gehört der US-Schauspielerin Phylicia Rashad, vielen noch als Claire Olivia Huxtable aus der Bill Cosby Show bekannt. Über leise klimpernden Klavierakkorden stellt sie Fragen wie: "Wer bist du in deiner reinsten Form? Wer bist du, wenn du fröhlich bist? Und wer, wenn du traurig bist?". Große Fragen, auf die Rapsody tiefgehende Antworten liefert. Auf "Tha tone Time" rappt sie über Vertrauenskrisen und Ex-Beziehungen, das Gefühl zu ihrem Körper, Kinderwunsch, Sexualität und Zukunftspläne. Auf "God´s Light" thematisiert Rapsody die Angst vorm Alleinsein, das Gefühl von fehlender Anerkennung und Konkurrenzdruck. "He Shot Me" ist eine Abrechnung mit rassistischer Polizeigewalt und den Schmerz, den diese in der Schwarzen Community der USA anrichtet. In Kombination mit Rashads sanften Fragen wirken die Songs des Albums im positiven Sinne wie gerappte Therapiesitzungen.

Klassischer HipHop und Blick über den Tellerrand

Die Beats klingen allesamt sehr smooth und jazzy, fast schon klassisch für HipHop. Aber Samples von Ghanas Highlife-Pionier Ebo Taylor wie auf dem Song „Back in my Bag“ oder Chronixx aus Jamaika auf „God´s Light“ zeigen, dass der Horizont von Rapsody und ihrem Produzententeam sehr weit ist. Mit Hit-Boy und BLK ODYSSY, der den Großteil des Albums produziert hat, hat sie sich schlagkräftige Unterstützung geholt. Die oft reduzierten, im Hintergrund gehaltenen Beats lassen Raum für Rapsodys tiefgehende Strophen und ihre markante Stimme. Das Ergebnis dieser Symbiose ist das bisher beste Album der Rapperin aus North Carolina. Mit "Please Don´t Cry" hat sich Rapsody einen Platz neben den Top Lyrikern des HipHop wie Little Simz, J: Cole und Kendrick Lamar verdient.