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Os Barbapapas: "Enigma" - Die Vier Bandmitglieder - drei Männer, eine Frau - stehen rotgekleidet, vor rotem Hintergrund.

Space-Age-Tropicalia-Trips

Os Barbapapas – "Enigma"

Stand: 06.12.2023, 16:08 Uhr

Mit einer Glasharfe, zwei Drummern und einer selbstgebauten Topfgitarre erzeugen Os Barbapapas aus São Paulo einen futuristisch-eleganten Sound, der einzigartig ist in der großen wunderbaren Welt der brasilianischen Musik. Das neue Album "Enigma" ist Futter für Herz und Seele.

Von Anna-Bianca Krause

Die meisten Menschen trinken aus Gläsern, Tomás Oliveira entlockt ihnen mit feuchten Fingern Töne. Er spielt eine Glasharfe, ein heutzutage exotisches Instrument, das es seit dem Spätmittelalter gibt, aber in der aktuellen Musik quasi inexistent ist. Oliveira steht vor 30 in mehreren Reihen mit Wasser unterschiedlich gefüllten Weingläsern und bringt ihren Rand durch Reiben zum Klingen. Diese zarten, freischwebenden Sounds, die einige vielleicht aus der Kindheit kennen, lässt der virtuose Musiker dann noch durch ein Wah-Wah und andere Effektgeräte laufen. Es entsteht ein kristalliner, teils futuristischer, nahezu intergalaktischer Sound, der auf dem neuen Album der Os Barbapapas eine tragende Rolle spielt.

Unbrasilianische Umtriebe

Os Barbapapas überraschen, ihre Musik ist instrumental und einzigartig in der großen wunderbaren Welt der brasilianischen Musik. Sie klingt nicht nach Samba, Bossa, Latin-Jazz oder anderen Stilen, die man aus ihrem Heimatland kennt. Ein „Tropicalia-Space-Age-Jazz-Quartett“ nennen sie sich selbst, aber der Name müsste wohl noch verlängert werden, denn es lässt sich vieles entdecken in den Kompositionen. Die drei Musiker und eine Musikerin sind nicht nur hörbar Jazz-geschult, sondern auch gereist, um andere Musikkulturen und Spielarten kennen zu lernen. Aus Marokko brachten sie Gnawa-Elemente mit, aus Äthiopien den Ethio-Jazz. Trotz aller Referenzen hat die Band durch die Harmonien und Töne der Glasharfe und durch eine von Selva Rubens selbst gebaute Topfgitarre einen ganz eigenen, jederzeit wiedererkennbaren Sound.

 Musikalische Zuckerwatte

Seinen Namen hat sich das Quartett von einer französischen Kultzeichentrickserie aus den Siebzigern geliehen. Vielleicht, weil der kaugummifarbene Held der Geschichte seinen Körper nach Belieben verformen konnte, so wie die Band Musik verformt. Naheliegender ist aber, dass sie sich auf "Barbe à papa" beziehen, das französische Wort für Zuckerwatte, denn der Sound der Glasharfe hat eine ähnlich watteweiche Konsistenz und soll vielleicht ein Gegengift gegen den Wahnsinn der dreizehn Millionen-Stadt São Paulo sein. Die Viererbande hat Humor, auch das hört man auf "Enigma" und sie hat Style, präsentiert sich ganz in Rot gekleidet vor tiefrotem Backgound auf Fotos und in Videos. Man könnte sie für die Aliens der brasilianischen Musik halten, muss diese Ausnahmeband aber global einordnen. In eine Reihe von anderen, die auch Instrumentalmusik abseits gängiger Genres machen wie Khruangbin oder das Hidden Orchestra. Das ist Musik, die Herz und Seele berührt und inzwischen ein großes Publikum findet.