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André 3000: "New Blue Sun" - eine schwarz-weiß-Zeichnung des Musikers André 3000, der mit einer Flöte auf dem Boden sitzt.

Heilende Flötenklänge

André 3000 – "New Blue Sun"

Stand: 22.11.2023, 15:12 Uhr

Auf seinem ersten Release seit über siebzehn Jahren nimmt der ehemalige Outcast-Rapper aus Atlanta die Hörer und Hörerinnen mit auf einen musikalischen Spaziergang durch den Zen-Garten, betört vom meditativen Klang verschiedener Flöten. 

Von Anne Lorenz

Mit Songs wie "Hey Ya" hat André 3000 vor zwanzig Jahren als eine Hälfte des legendären Südstaaten-Duos Outcast Musikgeschichte geschrieben. Mit über zwanzig Millionen verkauften Tonträgern sind die beiden noch heute einer der erfolgreichsten HipHop-Acts aller Zeiten. Auf seinem langersehnten, neuen Album geht der 48-Jährige jetzt in die komplett entgegengesetzte Richtung. Tiefe Bässe weichen sphärischen Synthie-Flächen und Rap-Bars dem hypnotisierenden Klang verschiedenster Instrumente aus der Ritual-Musik. Für den einstigen MC fühlt sich Sprechgesang in seinem Alter einfach nicht mehr authentisch an. André 3000 sagt, er hat keine Lust darüber zu rappen, dass es vielleicht bald mal an der Zeit wäre die Prostata untersuchen zu lassen, oder wie die Sehstärke langsam nachlässt...  

"Healing-Music": Aufarbeitung von Traumata mit der Flöte

Deswegen widmet er sich auf seinem neuen Album "New Blue Sun" lieber einer Musikrichtung, die in seiner Generation in den letzten Jahren immer beliebter geworden ist: Der sogenannten "Healing-Music". Spirituell angehauchte Instrumental-Klänge, getragen von Ambient und sphärischer Elektronik, an vielen Stellen jazzy. Damit hatten vor ihm auch schon Künstler wie Moby, Alanis Morisette, Sufjan Stevens oder vor ein paar Monaten auch noch Atlanta-Rapper-Kollege 6lack Erfolg. Für André 3000, der  immer offen darüber gesprochen hat, wie sehr seine mentale Gesundheit unter dem großen Erfolgsdruck gelitten hat, macht diese neueingeschlagene Richtung gleich doppelt Sinn: Er schließt von Vornherein aus, dass Kritiker seine aktuellen Songs mit den Hits von Damals vergleichen, und musiziert sich ganz Nebenbei auch noch selbst in seelische Harmoniezustände! 

Improvisationen aus Jamsessions

Die dreizehn Songs auf "New Blue Sun" sind alle improvisiert, also spontan bei Jamsessions entstanden. Stimmungsvolle Klanguniversen al s perfekter Soundtrack fürs Kopfkino. Aufgenommen mit dem kalifornischen Multiinstrumentalisten, Produzenten, DJ  und Dub-Lab Mitbegründer Carlos Niño, seines Zeichens Experte im Bereich "Healing Music". Mit ihm hat André 3000 in den letzten Jahren immer wieder experimentiert, an den unterschiedlichsten Instrumenten, die meisten aus dem Bereich der Ritual-Musik, ganz frei und autodidaktisch. Inspiriert von musikalischen Vorbildern wie Jazz-Legende John Coltrane, New Age Ambient Ikone Laraaji oder den beiden Minimal-Pionieren Philip Glass und Steve Reich. Sein Lieblingsinstrument ist dabei die Maya-Tempelflöte, eine Harmonieflöte mit zwei Klangkammern, die schon vor über 3000 Jahren bei Heilungs-Ritualen gespielt wurde. 

Mit dieser Flöte ist André 3000 in den letzten Jahren auch immer wieder in mysteriösen Handyvideos aufgetaucht. Und er war nach eigenen Aussagen auch schon vor Release seines neuen Albums damit inkognito, also als Ghost-Musiker bei verschiedenen Produktionen "bekannter Musikerkollegen" mit dabei.. Erfrischend ist, mit wie viel Leichtigkeit und Humor André 3000 trotz all der großen Erwartungen sein neues Projekt angeht. Der erste Song auf "New Blue Sun" heißt übersetzt etwa "Ich schwöre, ich wollte ja ein Rap-Album machen, aber das ist nunmal - im wahrsten Sinne des Wortes - die Richtung, in die der Wind mich getragen hat". Keine abwegige Richtung, sind die traumatischen Erinnerungen an schiefes Grundschul-Geflöte doch spätestens seit "Shabaka Hutchings" oder "Cautious Clay" bereits wie weggeblasen.